05./06.07.2013 - Eine Sommernacht unter erschwerten Bedingungen



Als Astronom hat man es nicht leicht! Irgendwas ist immer. Im Winter ist es kalt, im Herbst neblig und feucht, der Frühling voller Pollen und im Sommer wird’s gar nicht richtig dunkel. Aber seit dieser letzten, sehr besonderen Nacht kommt ein weiterer Negativ-Aspekt hinzu, der alles bisher Dagewesene toppt: Mücken. Seit dem Rückgang des Hochwassers haben sich überall stehende Modderpfützen und verwesende Tümpel gebildet, die in der brütenden Sommerhitze vor sich hingammeln und den fortpflanzungswütigen Flugsauriern beste Bedingungen zur Eiablage bieten. Bleibt man in einem solchen Risikogebiet nur eine Minute still stehen, droht bereits der Tod durch akuten Blutverlust.


War es nachmittags und abends noch bewölkt, riss es zu späterer Stunde planmäßig auf, wenn auch die Zirren die Dämmerung dominierten. Ist wurscht – ab in den Fläming! Ich bin froh, auf den klugen Rat der Mutti gehört zu haben, das Mückenspray mitzunehmen. Dies stellte sich als das nützlichste Utensil heraus. Schon während der Hinfahrt schwirrten die Biester im Auto umher, sodass die Konzentration aufs Fahren schwerfiel. Gegen 22:45 Uhr erreichten wir den Beobachtungsplatz südlich des Dorfes Hobeck und stellten das Auto auf dem Rasenstreifen neben dem Feldweg ab. Das hohe Gras war eher suboptimal, aber man konnte sich damit arrangieren. Überall noch Schleierbewölkung, und am Westhorizont hing eine tiefe, dunkle Wolkenbank rum. Die Sommersonnenwende ist außerdem noch nicht allzu lange her, sodass der Himmel verdammt hell war.



Noch vor dem Aussteigen sprühte ich mich mit dem Anti-Mücken-Spray ein, denn draußen war die Hölle los. Ein lautes, kontinuierliches, monotones Summen; hungrige Schwärme stürzten sich ins Gesicht, flogen vor den Augen herum und suchten nach einer guten Zapfstelle. Wie soll man sich denn da konzentrieren? Trotz tropischer 20°C hüllte ich mich in die stichfeste Winterkluft mit Fleecehose, hochgeschlossener Kapuzenjacke und Handschuhe. Mann, war mir warm. Während des Aufbaus dachte ich darüber nach, welche Schutzkleidung am effektivsten wäre. Vom ABC-Anzug und Imkerkluft, über ein mobiles Moskitonetz bishin zur Latexmaske als Gesichtsschutz gingen die Ideen. Aber so richtig gescheit ist wohl keine davon.

Der Himmel über Hobeck zeigte sich von seiner schlechten Seite, sodass ich meine ursprünglich anvisierten Objekte verschieben musste, bis die weißen Nächte wieder vorbei sind. Stattdessen beschloss ich, mit dem Projekt der DSH-Haufen weiterzumachen. Die großen Exemplare sollten auch bei diesen Bedingungen hergehen. Das W der Cassiopeia stand hoch im hellen Nordosten, und das erste Ziel schnell gefunden.


Teutsch 0011+57 zeigte sich bei 56-facher Vergrößerung als ein unscheinbarer, riesiger, loser Haufen, der das Gesichtsfeld fast sprengte. Er hatte einige helle Mitglieder, die ein grobes Dreieckmuster formten, ein Haufencharakter war allerdings nicht festzustellen. Die Sternanordnung und Ketten wirkten trotzdem ganz nett. Das Zeichnen unter erschwerten Bedingungen war eine Belastungsprobe für die Nerven, denn das fliegende Viehzeug ließ einen keine Sekunde in Ruhe.

Das nächste Objekt, Pothier 6, stellte einen angenehmen Kontrast zu seinem großen Vorgänger dar, denn was sich nun im Okular zeigte, war ein Winzling. Ohne Aufsuchkarte und ohne das Wissen um die Position würde man nicht denken, dass sich dort ein Haufen befinden soll. Bei 129x sah ich lediglich eine enge Gruppe, die aus 3 hellen Sternen bestand. Vielleicht gehörten weitere 2 oder 3 Sterne aus der näheren Umgebung zu dem Haufen dazu, aber dies war nicht eindeutig zu bestimmen.

Sssss… Man muss es einfach ignorieren, irgendwie. Ich fuchtelte, ich schlug um mich, fluchte, war genervt, aber es half alles nichts. Nach der nächsten Spray-Kur suchte ich Alessi 0022+54 auf, der optisch durchaus was hermachte. In der Übersicht fiel ein großes, W-förmiges Sternmuster auf, das an eine Mini-Ausgabe der Cassiopeia erinnerte. Sehr cool! Es lag eingebettet in einer reichen Umgebung mit vielen gleichhellen Sternen. Ich versuchte, möglichst viel davon aufs Papier zu bannen.

Unmittelbar nördlich von Kappa Cas befindet sich ein auffälliges Haufen-Dreiergespann, bestehend aus NGC 146, 133 und King 14. Tolle Gruppe, immer einen Besuch wert. Kaum bekannt ist jedoch, dass Pothier 7 dieses Trio zu einem Quartett komplettiert. Er war leicht zu entdecken und sogar problemlos als „Haufen“ zu erkennen. Etwa so groß wie seine Nachbarn, aber sternärmer und loser. Ein markanter, hellerer Stern fiel auf, neben dem sich die Mitglieder in einem gebogenen Band anordneten. Mir gefiel der Anblick sehr.

Leider ging den Offenen Haufen dann das Licht aus und ich konnte die Zeichnung nicht ganz fertigstellen. Blick in den Himmel: Wolken! Was soll das denn jetzt? In südlicher Richtung war es noch frei. Man sah dort die klassischen Sommersternbilder wie hinter einem trüben Schleier. Die Milchstraße kam kaum hervor, nur ein vage angedeutetes Band. Es war wirklich ziemlich schlecht, aber immerhin hatte ich Ausbeute machen können und war daher durchaus zufrieden. Außerdem bildete ich mir ein, dass die Mückendichte ein wenig abgenommen hatte. Super, Leute, geiles Timing. Nachdem ich einen kurzen Blick auf Komet Lemmon in Uwes Kameradisplay werfen konnte, baute ich den Sechzehnzöller ab, verpackte alles ordentlich und wir düsten wieder zurück an die Elbe.



Ein Beobachtungsbericht von AKE

Magdeburg, 06.07.2013

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