28./29.01.2017 - Hobby-Gastronomen: Alle nur am Futtern

Die Strapazen der vorangegangen Beobachtungsnacht zeigten ausgesprochen Wirkung: Ich schlief wie ein gottverdammter Stein. 8h lang. Nach dem ersten Aufwachen gab‘s ein bisschen Wettercheck und Objektrecherche, ehe ich dann weitere 1,5h lang das Kissen konsultierte. Kann mich nicht erinnern, wann ich letztes Mal so viel geschlafen habe. Es tat jedenfalls unendlich gut und sollte für die folgende Nacht von allerhöchstem Nutzen sein.


Gegen 17:45 Uhr verließen wir die Pension. Im Gepäck: Eine ganze, wundervolle Isokanne mit 0,5l heißem, duftenden Kaffee, die die Wirtin uns kostenlos aufgefüllt hat. Schon beim Anblick der Flasche musste ich mir die Freudentränen verkneifen. Wir hatten zunächst noch Erledigungen in Berchtesgaden zu tätigen (Tankstelle, Spaßkasse, Penny), ehe wir bei ausklingendem Dämmerungshimmel die Serpentinen in Angriff nahmen und zum Pflasterplatz hinaufkurvten.


Dort kamen wir kurz vor 19:00 Uhr an. Wir wollten erstmal was futtern und ich hatte mir bereits voller Vorfreude einen Becher Kaffee eingeschenkt, als drei Minuten später auf der Straße zwei Paar Scheinwerfer erschienen, die langsam auf uns zusteuerten. Ein großer Transporter mit dem KFZ-Zeichen vom Oberallgäu war dabei – für Norman war klar: „Das ist Walter!“ Tatsächlich hatten Walter und Werner den langen Weg aus dem Allgäu auf sich genommen, um auf dem Rossfeld zu beobachten. Wenn das keine willkommene Überraschung ist! Wir begrüßten uns, tauschten uns aus und analysierten die Wetterlage. Weil sie ankündigten, dass auch Uwe evtl. noch hinzustoßen würde, setzte ich meinen Wagen ein paar Meter nach vorn, ehe es mit dem Abendessen weiterging. Ein Hoch auf den heißen Kaffee und das Penny-Brötchen. Ich habe wohl noch nie fürstlicher gespeist und war sowas von hochmotiviert, dass es kracht.


Hätten die Bedingungen besser sein können? Es war windstill, es war klar, es war trocken (37%), es war relativ mild mit 1°C. Seeing anfangs eher mau, sollte aber im Laufe der Zeit richtig gut werden. Die Truppe passte, ich war ausgeschlafen und erholt, hatte den weltbesten Kaffee intus und ‘nen Ohrwurm von Pink Floyd. Außerdem hatte ich den Aufbau-Wettkampf gegen Norman gewonnen; trotz seines Vorsprungs (der 12er lag ja komplett montiert auf der Rückbank) war mein Dobson schneller startklar, inklusive Sucher und Justage. Ha! Tief im Nordwesten gab es ein paar zirrenartige Wolken zu sehen, was zur Wetterlage passte, aber die blieben dort unten und bewegten sich nicht hinauf. Was für ein Wetterglück – die dritte klare Nacht auf dem Rossfeld! Bevor es an den Objektreigen ging, schauten wir noch bei Walters großem 24“-Turm vorbei. Schon toll – da hat der Richtige das richtige Gerät.


Aus meinem Rhön-Solo im Dezember lag noch eine begonnene Zeichnung von NGC 2346 im Skizzenblock, an deren Vervollständigung ich mich nun machte. Das, was ich damals sah, ließ sich reproduzieren und diesmal auch auf dem Papier festhalten.

„Der Kaffee ist übrigens schon alle“, verriet ich Norman. „Was? Boah, echt?“ – „Ja. Muss mich auch arg zusammenreißen, hier nicht schreiend im Kreis zu rennen.“ Mein Dobson ragte fast waagerecht nach vorn und ich realisierte, dass der Hut schon gefährlich nah am Straßenraum hing. Ihn einen Meter nach hinten zu versetzen ist keine schlechte Idee, und Norman hatte schon zum Anpacken angesetzt, doch erstmal warteten wir ab, bis das Auto, was sich näherte, in der großen freigelassenen Lücke eingeparkte. Uwe war angekommen, gegen 20:00 Uhr, und half kurzerhand mit, den 16er anzuheben. Die Gefahr, dass ich irgendwelche vorbeifahrenden PKW im Schwenkbereich abräumte, war also gebannt.


Zweites Objekt war der kleine PN Stephenson 3-1, ebenfalls im Einhorn; suchtechnisch etwas nervig, dann aber als recht schwache, kleine, runde Scheibe auftauchte.

Ohne es beabsichtigt zu haben, legte ich eine richtige kleine PN-Runde ein, die sich mit Abell 18 fortsetzte. Der war nicht leicht. Mit indirektem Sehen tauchte bei 130x an entsprechender Stelle immer wieder ein schwacher Schimmer auf, nicht dauerhaft zu halten. Ich war überrascht, dass der PN bei 200x dann wesentlich deutlicher war. Die Position manifestierte sich, auch wenn Abell 18 weiterhin extrem schwach und diffus blieb. Ach, ‘nen Zentralstern gabs auch nicht.

Ein Knistern näherte sich in Gestalt von Uwe, der Schokolade vorbeibrachte, original Milka Noisette. „Danke! Ich hab‘ schon die ganze Zeit drauf gewartet.“ – „Ja – Wann kommt der endlich?“ – „Ganz genau!“ Ich war im Aufsuchen von Abell 20 begriffen. Ein ähnliches Kaliber wie Numero 18, aber geringfügig leichter, auch wenn der Blick aufn DSS Gegenteiliges vermuten lässt. Ein runder, sehr blasser Hauch, der zur Mitte dezent heller wirkte. Eigentlich ist der Nebel mittig dunkel, aber möglicherweise schimmerte da der Zentralstern hervor und verschmolz sich mit dem Außenring, sodass die dunkle Zone überdeckt wurde.

Die gute Venus stand nur noch knapp über dem Horizont, war bereits merklich extinktiert und sollte in wenigen Minuten untergehen. Das Seeing hatte sich massiv gebessert – auch in niedrigeren Deklinationen konnte man unterwegs sein, ohne sich durch den Matsch wühlen zu müssen. Einzig störend waren meine von Beginn an kalten Füße, aber dagegen half ein kurzes Läufchen.


Apropos niedrige Deklinationen. In den Großen Hund ging es nun, zur Galaxie UGCA 128. Hell und easy stand sie da. Länglich geformt und NW-SO gekippt. Nordwestlich stand ein markanter Vordergrundstern; ein weiterer am Südende und ein noch schwächerer blinkte nördlich des Zentrums heraus. Der Halo der Galaxie reichte bis zu dem hellen Feldstern, und auf der anderen Seite ging er über die ähnliche Länge. Insgesamt wirkte UGCA 128 unruhig und mottelig im Zentralbereich.

Ich hatte den Startschuss nicht mitbekommen, aber seit geraumer Zeit waren die Herren damit beschäftigt, Hickson 31 zu sezieren. Sowohl im 24er (glaube, da ging das los), als auch im 12er, wo Norman und Uwe alle verfügbaren Vergrößerungen durchprobierten. Es nahm mich Wunder, was an der Gruppe so spannend war, hatte aber kein gesteigertes Interesse, mich an der visuellen Filetierung zu beteiligen. Außerdem kannte ich die schon. Allerdings war es mal wieder nett, der Diskussion zu lauschen.


Ich war mit meinem Programm ohnehin ausgefüllt und ließ mich auf PB 1 ein, Peimbert-Batiz 1. „Schlimmer als die Abells“, lautete meine erste Notiz, weil ich wieder irgendwas großes Nebliges erwartet hatte, aber nichts dergleichen sah. Nein, der PN war klein und fies, und tarnte sich als winziges, kompaktes Scheibchen. Bei nur moderater Vergrößerung ging der glatt als Stern durch. Gleichmäßig hell, strukturlos, bisschen oval.

Es folgte ein wenig Gerenne entlang der Straße. Von weitem sah man noch die winzigen schwachen Lichter der roten Lämpchen, die gegen das kollektive Gestrahle von Salzburg aber keine Chance hatten. Mei, was für eine brutale Glocke. Leider war die Stadt frei und nicht von Nebel verdeckt, nicht mal ein bisschen. Als ich zurückkehrte, war es erstaunlich leer in meiner Umgebung – alle hatten sich hinten bei Walter zusammengerottet. Ging, glaube ich, immer noch um HCG 31.


Auf meinem Zettel stand nun vdB 87, ein Reflexionsnebel in der Nähe von M 50. War also ein guter Grund, den riesigen Cluster auch mal wieder zu besuchen. Das eigentliche Ziel befand sich rings um ein markantes Sterngrüppchen, was selber ein Haufen sein könnte? Jedenfalls, der zarte Nebelschleier legte sich in rundlicher Form um die Sternchen, die den Anblick ein wenig irritierten. Was ich erst jetzt, in der Nachbereitung, bemerke, ist, dass es sich bei vdB 87 um eine Kombi aus Reflektion und Emission handelt.

Walter brachte zwischendurch eine Handvoll leckerer Cashewnüsse vorbei. Es war gegen 22:20 Uhr. Das nächste Ziel war mir durch das dustlane-Projekt kein unbekanntes: UGCA 150. Die Galaxie, so prominent und knallig auf Fotos, war visuell erstmal überraschend schwach, klein und auch gar nicht über die gesamte Länge zu verfolgen. Ein ovaler Hauch östlich des 9-mag-Feldsterns, NO-SW-gekippt. Von dem Staubband sah ich nichts. Naja… Hab ich mir besser vorgestellt.


NGC 2596 war keine spannende Galaxie und zeigte sich lediglich als ovaler, O-W-liegender Nebel ohne Struktur. Was mich daran gereizt hatte, war das Zusammenspiel mit einem lustigen, kleinen, fünfteiligen Sterngrüppchen unmittelbar östlich. Das war locker erkennbar, machte aber irgendwie doch nicht so richtig was her.

Bei IC 2431 hatte ich mir die Notiz „Seeing!“ in den Atlas gemeißelt, was Anlass gab, da nun mal hinzuschwenken. Es handelt sich um eine wirklich winzige Galaxie mit mehreren einzelnen Klumpen. Es zeigte sich bei 200x ein kompaktes Büschel, aber von den Strukturen ließ sich keine herausseparieren. Der Büschel wirkte, vermutlich durch die zentrale Hauptkomponente, länglich. Die beiden Knoten nördlich bzw. südlich davon gingen absolut nicht her.


Norman hatte zwei Nächte zuvor NGC 2894 beobachtet, die schon im 12er interessant erschien – wie ein einziger länglicher Nebelbarren mit drei Vordergrundsternen auf der Längsachse. In Wahrheit ist es eine kompakte runde Kugel, die in einer kleinen Sternkette steht, was den Anblick nicht minder reizvoll machte. Im 16er stand sie deutlich isoliert davon, verschmolz bei indirektem Sehen aber wieder mit der Kette. Das Objekt fetzt!

„Anne ist eisern“, kommentierte Uwe und warf auch einen Blick auf 2894. Bei Walter war erneut Hickson-Alarm ausgerufen und es wehten von dort engagierte Bestandsaufnahmen herüber. Meine Zehen waren empfindlich kalt, obwohl mir ansonsten eigentlich angenehm warm war. Das war ganz bestimmt auch der Grund, warum es mit MCG +2-25-35 nichts wurde. Diese kleine Galaxie sollte östlich eines auffälligen Sterndreiecks stehen. Das Dreieck war nun wirklich kein Problem, aber das Objekt wollte und wollte einfach nicht auftauchen.

Um halb 12 gabs nochmal eine Runde Sport. Norman tauschte sich gerade mit Uwe aus und sagte, mit Bezug auf sich selber: „Irgendeinen Quotendödel muss es immer geben“. Keine Ahnung, worum es ging, habe leider den Anfang verpasst. Und warum kennt Word den Begriff „Quotendödel“? Ist ja wieder mysteriös.


Mit UGC 5189 verkleisterte ich ein bisschen Zeit, konnte dem aber nicht so viel abgewinnen. Hatte mir etwas mehr erhofft. Ein eher schwacher Fleck, länglich, der im Norden abrupt endete und nach Südosten schwach auslief. Das dürfte ein Hinweis auf den abgesprengten Rest der Galaxie sein. Im Bereich des Vordergrundsterns, etwa in der Mitte dieser „Fahne“, wirkte es nochmal etwas nebulöser, aber der ganze Rest war nicht zu sehen.


Die Suche nach NGC 2793 verlief erfolglos – ich sah einfach nix? Gegen Mitternacht parkte ein blödes Auto bei uns, ein paar Meter vor meinem Wagen. Irgendein Fotograf, der den Anblick – Sterne über Salzburg – festhalten wollte. Er blieb zum Glück nicht lange und rauschte bald wieder ab. „Na endlich. Was wolln die denn nur alle hier oben, solln gefälligst woanders ihre blöden Fotos machen.“ – „In Salzburg sieht das aber nicht so schön aus“, gab Norman zu bedenken. „Na und? Mir doch egal. Ich will meine Ruhe haben.“ – „Das ist doch eigentlich ganz sympathisch, dass die extra hier hochfahren, in die Natur…“ – „Na nee! Das ist doch nicht mein Problem, was die für Vordergrundmotive haben!“ – „Genau“, stimmte Uwe zu, „der soll sich verpissen.“ Weitere Störer kamen zum Glück nicht mehr vorbei.


Mit der Arp-315-Group machte ich weiter. Hier versammelten sich mehrere kleine Galaxien, von denen NGC 2832 am hellsten und auffälligsten erschien – nicht zuletzt, weil die kleine 2831 mit im Halo lag und die Helligkeit scheinbar erhöhte. Südwestlich davon tauchte 2830 auf – von der elongierten Galaxie war nur ein rundes Glimmen erkennbar. Westlich dieses isolierten Trios stand 2825; schwächer und ebenfalls nur eine runde Kugel. Knapp 9‘ südlich und daher weit ab vom Schuss gab es noch NGC 2826 zu sehen; nach der 2832 das hellste Gruppenmitglied und mit leicht langgezogener Form.

Einige Grad östlich dieser Gruppe suchte ich anschließend NGC 3003 auf, die die Notiz „flockiges Zentrum?“ trug. Die Galaxie war leichte Beute. Länglich, 1:3, O-W-liegend. Bis 130x eine homogene Fläche, die ab 200+ unruhig wirkte; zumindest zeigte sich das Zentralgebiet heller als der Rest und schien v.a. entlang der Südkante deutlich kräftiger.

NGC 3067 war ein ovales (1:2,5) Teil in O-W-Lage mit nur mäßig hellem Zentrum, ohne sichtbaren Kern oder anderen Details. Hm. Lang hielt ich mich dort nicht auf. Es war 00:45 Uhr und herrlich ruhig und still in der Welt. Ich plünderte eine Tüte Studentenfutter und blätterte parallel dazu durch den Atlas, um das nächste Objekt der Begierde aufzuschlagen…


Copeland’s Septett. Nicht alles, was einen Eigennamen hat, ist auch der totale Knaller. Das Grüppchen war leicht zu sehen, hatte es aber trotzdem ziemlich in sich. Denn der kleine Nebelteppich, aus dem einzelne Highlights herausleuchteten, wollte auseinandergedröselt werden. Ich überlegte noch, ob ich nicht lieber unauffällig weiterziehen sollte, aber als Norman mir über die Schulter schaute und mich „Copeland’s Dingsda“ in den Skizzenblock schreiben sah, wusste ich, aus der Nummer komm ich nicht mehr raus. Schon lustig, dass viele der kleinen Krümel sogar noch ‘ne NGC-Nummer tragen dürfen. Die längliche NGC 3753 war das deutlich hellste Mitglied, schien mit 3754 NÖ aber verschmolzen. 3750 stand deutlich isolierter abgetrennt in westlicher Richtung als kleine, sehr kompakte Kugel. Von dem Trio befand sich 3746 in nordwestlicher Richtung abgesetzt; flächenschwach und mit schwer zu bestimmender Form. 3748 bildete die nördliche Spitze der Gruppe – einfach nur ein winziges Knäuel. Gleiches gilt für 3751, die den südlichen Abschluss bildete. Die Einzelkomponenten waren in ihrer Sichtbarkeit keine großes Problem – aber die Isolierung und Trennung voneinander; das „Lichten des Nebelschleiers“ v.a. von 3753 brachte den Spaß.

Eine deutlich dankbarere Gruppe, und sogar ein echter Hingucker, war das Trio NGC 3413/24/30. Die Mitglieder standen bei 130x ideal im Gesichtsfeld und zeigten sehr schön ihre unterschiedlichen Gestalten. 3413 länglich mit markantem Zentralbereich, 3424 inner Mitte noch länglicher, O-W-liegend, relativ homogen und schick an einem Feldstern andockend, und 3430 ein flächenschwaches Oval mit stellarem Kern.

Ich fand das Trio so schick, dass ich Norman herbeirief, der über seine eigene Objektwahl meckerte. Sein Problem: Die Galaxien, die er in der ersten Nacht beobachtet hatte, wiederholten sich nun, weil sie am entsprechenden Kartenrand lokalisiert UND abgehakt waren – auf dem benachbarten Blatt aber nicht. Norman hatte nämlich freudig über die Beobachtung von NGC 2894 berichtet – die Nummer klingelte mir gleich in den Ohren. Die hatte ich doch vorhin auch. Uwe verteilte anschließend die letzten Stücke der Milka.


Das nächste Ziel lag gleich nebenan – ein Gesichtsfeld weiter westlich tauchte das Duo NGC 3395/6 auf. Zwei Galaxien, die ineinanderkrachten. 3395 als westlicher Part, größer, ovalgestalt (1:2) und N-S-stehend. Quer dazu lag ihr Tanzpartner. 3396 zeigte sich langgestreckt (1:3) und spreizte sich von der Nordspitze der Nachbarin in Ostrichtung ab. Die Enden der beiden Galaxien berührten sich nicht, aber die Kombi wirkte noch neblig eingehüllt, v.a. bei indirektem Sehen.

Als nächstes stellte ich UGC 3829 ein, die den Beinamen „Spider Galaxy“ trug. Vom DSS wusste ich bereits, dass mich was Großes, Flächenschwaches erwarten würde. Das Objekt war dann doch aber einfacher sichtbar als gedacht. Ein diffuser, nahezu homogener Nebelflatschen. (Warum kennt Word denn auch diesen Begriff?) Eine Form war nicht erkennbar; keine Struktur und keinerlei Nachvollziehen der spinnenähnlichen Gestalt. Der markanteste, am leichtesten zugängliche Bereich war nach Nordosten verschoben.


Der Preis „Galaxie der Nacht“ ging an NGC 3432. Waaah, mit dem Ding kannste ja Stunden zubringen! Mit jeder Minute setzten sich die Details klarer ab und Neues tauchte auf. Dieses lange Elend, das sich von einem „Doppelstern“ nach Nordosten abstreckte und an einem weiteren Vordergrundstern vorbeischummelte, zeigte mehrere längliche Helligkeitspeaks entlang der Hauptachse und darüber hinaus. Der schwache Begleiter westlich des Südendes, irgendson PGC-Teil, blieb unsichtbar.

Norman, mit seinem Gerätchen zugange, erschreckte mich: „Die Luftfeuchte hat ‘nen ganz schönen Satz nach oben gemacht. 43% jetzt, und -2°C.“ – „Was? Ich habe jetzt mit irgendwas um die 80 gerechnet nach deinem Intro! 43%! Das ist doch kein Satz nach oben! Von solchen Werten kann ich im Flachland nur träumen.“


Die nachfolgenden beiden Objekte waren nicht so der ausgesprochene Kracher. NGC 3486, eine große enge Spirale mit vielen Armen, war zwar hell und besaß einen stellaren Kern, doch von ihm lief die Galaxie einfach nur unspektakulär nach außen aus, gleichmäßig und diffus. Dann kam NGC 3510. Der langgestreckte Nebel, N-S-stehend, zeigte quasi eine Zweiteilung. Der Halo ging eher blass in den Hintergrund über; im Inneren setzte sich recht deutlich der ebenso längliche Zentralbereich ab.


Um 02:40 Uhr notierte ich „Lauf, weil kalt und so“ und ging dann eine Runde laufen, weil es kalt war… und so. Ich hörte, wie sich Walters Stimme näherte. „Uwe, willste mal ‘n Schätzchen sehen?“ – „Ääääh… Ich bin grad am Kämpfen. Was hastn fürn Schätzchen?“ Die Stimmen entschwanden wieder.


Anschließend neigte ich den Dobson wieder eine Etage tiefer, um NGC 4536 aufs Korn zu nehmen. Ein riesen Ding, hell und detailreich. Ovale Grundform mit spitz-gekrümmten Enden, die aus zwei Spiralarmen resultierten. Einer ging nach Westen, der andere nach Osten. Der westliche schien mir etwas kräftiger. Der Kernbereich war sehr hell und stellar.

„Hier knisterts?“, bemerkte Uwe. Es war Werner, der eine Tüte mit Waffelkeksen reihum trug. Super, wie man hier mit Leckereien verköstigt wird! Blöderweise hatte ich nichts dabei, womit ich mich revanchieren konnte. Beim nächsten Mal – Indianerehrenwort. Irgendwer fing an, durch die Gegend zu rennen. Keine Ahnung, wer – ich war noch nicht in der Lage, das Rascheln der Hose den jeweiligen Leuten zuzuordnen.

Mir kam die Inspiration, eine Rossfeld-Beobachtung von vor zwei Jahren zu wiederholen – den Mäuseschwanz. Der war damals ja absolut easy. Norman bekam mit, was ich vorhatte, und tat es im 12er nach. Das Pärchen, NGC 4676, war leicht gefunden, aber ich bemerkte einen unschönen Effekt meiner Augen. Sobald ich versuchte, mich zu konzentrieren, schob sich eine verschwommene, aufleuchtende Fläche vor den Sehbereich. Lässt sich mit einem Nachbild vergleichen, das ja auch der Augenbewegung folgt. Was soll denn der Blödsinn? Sowas hatte ich noch nie gehabt. Das machte es mir jedenfalls unmöglich, mich auf den Mäuseschwanz zu konzentrieren – da war rein gar nichts zu holen. Immer war dieses Nachbild im Fokus, was z.T. sogar die Galaxien unsichtbar machte. Und als Norman und Uwe nebenan am 12er von einem vermuteten Schweif berichteten, gesellte sich Frust hinzu.


Ich verlor das Interesse und widmete mich lieber was Anderem. Walter brachte Schokolade vorbei – die tat gut. NGC 3448 hellte meine Stimmung ebenfalls wieder auf. Im Atlas stand die Notiz „dunkle Zone in W-Hälfte“. Allerdings sah ich in diesem langen Nebelbarren die dunkle Zone eindeutig in der Osthälfte. Bei der Objektrecherche im Vorfeld muss ich O und W vertauscht haben. Westlich des Kerns fiel die Helligkeit lediglich nur eine Nuance ab. Von einem „Staubband durchs Zentrum?“ schrieb ich auch was, konnte davon aber nichts erkennen. Westlich der Galaxie tauchte aber noch ein blasses Nebeloval auf – UGC 6016.

Uwe, dem ich von meinen streikenden Augen erzählte, empfahl, mal eine Pause zu machen. Keine schlechte Idee. Ich ging ein wenig auf Wanderschaft, putzte die Zähne und genoss einfach mal einen Moment lang die Nachtkulisse und den Blick auf die Straßennetze der österreichischen Örtchen. Die schneebedeckten Hänge und Wände des Hohen Göll. Die Silhouetten der vielen Fichten im Vordergrund. Die winzigen kriechenden Scheinwerfer auf der Tauern-Autobahn. Der flimmernde bunte Lichtteppich von Salzburg. Die aufkommende Milchstraße im Nordosten – Vega, Deneb, da sind sie ja auch schon wieder. Der fette Jupiter im Süden mit Spica unter sich. Der Typ kriegt sie echt alle rum! Der Löwe, schon wieder in Richtung Westen verkippt. Nachfolgend die Nördliche Krone, schick wie immer, und Herkules mit Normans Lieblingsobjekt – M 13 oder wie sich das Teil nochmal nennt. Und ich genoss die Ruhe – abseits von summenden Nachführungen, knarzenden Klapphockern, quietschenden Filtergewinden und knisternden Süßigkeitsverpackungen, die alle paar Minuten die Runde machten. Das einzige, was ich noch hörte, war mein Puls.


Es gab ein Intermezzo mit „Bow & Arrow“ NGC 3310. Diese flächenhelle, runde, gut abgegrenzte Galaxie zeigte einen stellaren, nach Osten versetzten Kern. Generell spielte sich das Interessante am Ostrand ab. Die Kante war dort deutlich kräftiger ausgeprägt und schwang etwas abgesetzt nach Norden aus. Für mehr Details war ich dann allerdings nicht mehr empfänglich, auch wenn das Objekt noch einiges mehr zu bieten hat.


NGC 3264 war auch nicht mehr der Kracher – „schwer!“ notierte ich. Recht fade und diffus, linsenförmig gestaltet und ohne Details. Schwache Vordergrundsterne standen östlich und westlich. Was in meinen Notizen zu denen steht, kann ich nicht mehr entziffern – glaube, da steht „die trügen“. Kann aber auch was anderes heißen.


Es fuhr mal wieder ein Auto vorbei, und alle gingen in Deckung vor den blendenden Scheinwerfern. „Hihi, wie die Vampire, die das Licht scheuen“, lachte Norman. Es war schon wieder halb 5! Ich joggte nochmal blöde durch die Gegend.


Uwe hatte ein paar Stunden zuvor von Hickson 55 gesprochen und mich gebeten, die zum Morgen hin mal aufzusuchen. Der Drache stand nun in guter Höhe – und die Gruppe fast zenitnah. Das war nicht unbedingt von Vorteil, weil Salzburgs Lichtglocke dort hinragte, aber wird schon klappen. Ich fand die Zielregion schnell (die Edge-On NGC 3735 ist nicht nur schön, sondern auch hilfreich), aber nicht die Hickson. Die furchtbaren Nachbilder legten sich wieder über alles, auf was ich mich konzentrieren wollte. Kaum hatte ich einen Verdacht, wo die Gruppe sein sollte, und vermutete dort sogar schon eine Aufteilung in zwei formlose Klumpen, erschien das Leuchten und machte alles unsichtbar. Was für eine Scheiße. Norman und Uwe hatten in ihren Geräten das Objekt ebenfalls eingestellt und analysierten schon den jeweiligen Anblick.

Uwe kam dann auch vorbei und warf einen Blick durch meinen 16er – zum Glück bestätigte er die Position und beschrieb sogar zwei Einzelkomponenten, die waagerecht lagen. So ganz verkehrt lag ich meinen Beobachtungen, die sich auf Sekundenbruchteile beliefen, also doch nicht. Im 27er war die Sache bei 600x dann (geringfügig) eindeutiger, auch wenn das Festhalten auf der höchsten Stufe der Leiter so seine Konzentration schluckte. Die Sache hatte ich mir aber auch irgendwie anders vorgestellt – laut Uwe müsste das noch besser gehen.

Norman biss sich noch eine ganze Weile an der Hickson fest, während Werner sich schon verabschiedet hatte, seine lange Fahrt antrat und auch Walters Teleskopturm allmählich reduziert wurde. Meine Augen waren zu nichts mehr zu gebrauchen – als Rausschmeißer gönnte ich mir M 92. Der war wirklich nochmal ein schönes Abschlussobjekt, um diese ergiebigen Rossfeldsessions zu beenden. Am besten bei 200x mit nadelfeinen Sternchen. Herrlich! Wer braucht da noch M 13?


Von Walter nahmen wir Abschied und wünschten eine gute, problemlose Heimfahrt. 4h bis ins Allgäu sind ja nicht ohne. Als ich am Kofferraum stand, meine Okulare mit ihren Deckeln versorgte, und mich dann wieder umdrehte, war auch Uwes Teleskop plötzlich verschwunden – das ging ja schnell. Norman war noch immer an HCG 55 dran. Die Milchstraße lag quer über dem Osthorizont; die dunkle Teilung an der Schildwolke hatte sich schon emporgehoben und Atair komplettierte das Sommerdreieck. Bald würde die Dämmerung gnadenlos einsetzen. Dann rauschte auch Uwe davon („Wir sehen uns dann in zwei Wochen beim Pixinsight-Workshop“) und wir waren wieder allein am Platz.


Ich stand am Geländer, schaute in die Ferne und hinunter auf Golling, und pünktlich um 06:00 Uhr wehte ganz leises Kirchengeläut zu uns empor. Das war mir bis dahin noch nie aufgefallen – irgendwie nett. Eine halbe Stunde später waren wir abfahrbereit und rollten die Straße hinunter und durch das verschlafene, arschkalte Berchtesgaden. Am Gasthaus erwarteten uns wieder gefühlte -5.000°C. Mann, war mir kalt; ich konnte die fette warme Bettdecke absolut nicht erwarten. Es blieb uns nicht viel Schlaf.

Um 11 war offizielle Abreisezeit – doch der Wirt, der uns dann am Vormittag eine Tasse Kaffee spendierte und mit uns am Tisch saß, sagte, es wäre absolut kein Problem gewesen, wenn wir noch hätten weiterschlafen wollen. Er war so offen und interessiert für unser Tun, bat Norman um ein paar Fotos und freute sich schon, wenn wir ihn wieder besuchen kämen.


Das werden wir auf jeden Fall. Nicht nur, um dem netten Ehepaar ein bisschen Geld in die Kassen zu spülen und den Penny um einige der guten Semmeln zu erleichtern – sondern freilich auch, um das Rossfeld-Konto noch um einige Nächte aufzustocken. Es lohnt sich jeder Meter Anfahrt, es lohnt sich immer wieder.

 




Bericht von mir

München, 30.01.2017

Share by: