07.09.2013 - Falling down

Der Tag war sehr schön warm und sonnig, doch es hielten sich hohe, dünne Zirruswolken, zu denen sich am Abend dann größere Türme gesellten. Außerdem pfiff der Wind durchs Tal - oben wird es nicht anders sein. Nach dem Abendessen schauten wir skeptisch hinauf und beschlossen, gleich zum Rettenbachferner zu fahren, der sich in der Vergangenheit bei stärkerem Wind bewährt hatte. Die Dämmerung war schon recht fortgeschritten, als wir oben ankamen und den wunderbar asphaltierten, ebenen Parkplatz betraten. Anwesend waren außerdem zwei Autos von Bergsteigern, die wahrscheinlich übers Pitztaler Jöchl zum Brandenburger Haus gewandert waren und dort übernachteten. Neu war eine Säule, in der ein großer Mast eingelassen war. Hoch oben blinkten unregelmäßg grüne LED-Lichtlein. Wir gingen und schauten, was da los war. Sah fast so aus wie ein Router...


„Hmm, so ganz überzeugt mich das noch nicht...“, verkündete ich, während Uwe schon seine Fotoausrüstung aufbaute. Auch Martin, der heute dobsonieren wollte, war unschlüssig. Talauswärts war der Himmel zugesuppt, und im Süden, über dem Bergkamm der Schwarzen Schneide, krochen kontinuierliche Wolkenpakete auf, die es allerdings nicht weit schafften, sondern sich auf halbem Wege wieder auflösten. Insofern war dies zu verkraften. Schlimmer war dagegen schon der böige Wind, der einen immer wieder überraschte und die Luft abkühlte, sodass die 11°C nicht sonderlich angenehm waren. Hinter den großen Bergwänden im Norden blitzte es; irgendwo gab es Wetterleuchten. Und außerdem war das Seeing so mies wie ich es selten erlebt habe.


Egaaaal, wir stellten uns mutig der Herausforderung und bauten die Geräte auf. Sowohl mein Outdoor-Handy, als auch der Justierlaser fielen herunter, haben aber beide überlebt. Bei einer starken Windböe wehte die Luft in Martins Sechzehnzöller hinein und drückten den Plastikverschluss seines Okularauszuges heraus. Um die Wartezeit zu überbrücken, versuchten wir uns an einem gescheiten Gruppenfoto, aber als ich die Ergebnisse sah, kamen mir fast die Tränen. Lautes Gelächter schallte über den Platz... Naja, solange die Stimmung gut ist, kann es nicht so schlimm sein!

Ich hatte noch wichtige Aufträge abzuarbeiten und suchte, nach dem Misserfolg vom letzten Mal, wieder NGC 7008 auf, aber auch diesmal war diese Prozedur durch Wolken verzögert. Doch dann, endlich, da war er, und ich war... fast schon... begeistert... Eine ovale Grundform mit einem helleren, kommaförmigen Bogen, der nach Westen gekrümmt war. Das Innere war dunkler und es lief nach Osten hin aus. Markant war der Doppelstern an der Südspitze des PN, und es waren mehrere Lichtknoten auszumachen. Vor allem bei indirektem Sehen wirkte die gesamte Fläche undefinierbar gemottelt. Ab 200x tauchte der 13-mag-Zentralstern auf. Eine höhere Vergrößerung war bei diesem Seeing kaum möglich und eher kontraproduktiv. Uwe und Martin zeigten sich ebenfalls interessiert und nahmen den Objektvorschlag für sich auf.

Bei der nächsten starken Böe flogen meine Aufsuchkarten, die im Kofferraum lagen, heraus und wir jagten ihnen hinterher. Der Dobson vibrierte regelrecht, Detailsehen war nur in ruhigen Momenten möglich. An der Wolkenlage änderte sich kaum etwas und die Pakete zerfielen, nachdem sie über dem Gletscher aufgestiegen waren. Das SQM-L gab 21,48 mag/arcsec² aus.


Mein nächstes Ziel war NGC 7027 in der Nähe vom Nordamerikanebel, und ich quälte mich mit der Zenitbeobachtung. Auch dort oben blinkten die Sterne... Ich sah eine helle, ovale, gut begrenzte Scheibe, die türkis glimmte. Der Anblick änderte sich bei höherer Vergrößerung, und es tauchte ein zweigeteilter Klumpen auf, der in Ostrichtung diffus auslief. Der nördliche Teil zeigte sich etwas heller und ausgedehnter.

Eigentlich wollte ich mich danach in die Grenzregion Leier-Herkules begeben, doch dort wurden Wolken sesshaft und ließen keine ausreichende Lücke für mich. Na, dann warten wir mal! Ab 22:45 Uhr war der halbe Himmel bedeckt und wir fanden uns zum Kaffekranz zusammen, wobei der zu kalt war und nicht schmeckte. Dann erlag auch Martins 20er Nagler dem freien Fall. Nachdem der erste Schock überstanden war und die Optik nicht gelitten hatte, wurden Witze gerissen. „Dann könntest du alles doppelt sehen und bräuchtest kein Bino mehr...“ Wieder lachten wir uns kaputt. Kollektiver Höhenkoller? Martin, mit Taschenlampe im Mund, fluchte wegen irgendetwas. „Was? Hatta Hatta?“, fragte ich. – „Ja, Balla Balla in der Birne!“ Uwe, in seinem unerschütterlichen Optimismus, stellte plötzlich fest: „Oh, da ist ja 'ne Wolke davor. Die war eben noch nicht da.“ Ich kauerte neben dem Dobson, der noch immer in die Leier-Herkules-Region zeigte, und wartete auf die Lücke, die es nicht mehr geben sollte.


Vor dem südlichen Berghang zogen die Wolken plötzlich herunter und fielen ins Rettenbachtal hinab, was nahezu bedrohlich aussah. „Jetz komm'se.“ Der Himmel zeigte viele klare und dunkle Stellen, die jedoch nicht von langer Dauer waren und recht schnell wieder zuzogen. Sehr dynamisches Wetter. So interessant das auch zu beobachten war, frustrierend und zermürbend war es mehr als alles andere. Bald ließ meine Motivation nach und durch den Wind wurde mir kalt. Martins Brille fiel auf den Boden. Die Wolken fielen ins Tal. Steine fielen von fernen Berghängen und rollten polternd hinunter. Meine Picknickdecke flog durch die Gegend und die Seiten des Beobachtungsbuches flatterten. Mensch, wird das heute noch was?!

Nach einer klaren, mehrminütigen, hoffnungsspendenden Phase begann die Suppe aus östlicher Richtung aufzusteigen und sich über den Himmel zu verteilen. Nein, das sieht endgültig nicht mehr gut aus. Als der Wind den Streulichtschutz von meinem Dobson riss, sah ich dies als Zeichen, abzubauen. Uwe hatte bis zuletzt seine Objekte aufgenommen und freute sich über NGC 7008, den er uns auf dem kleinen Display zeigte. Pink Floyd begleiteten den Abbau, und 00:30 Uhr war Ende im Gelände.




Ein Beobachtungsbericht von AKE

Zwieselstein, 08.09.2013

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