Dust lanes: Galaxien mit Staubband

Bevor mein Projekt, 2016 ausgearbeitet als Vortrag für das Deep-Sky-Meeting, auf ewig und immerdar auf der Festplatte versauert, lade ich es an dieser Stelle gerne nochmal hoch und stelle es der Allgemeinheit zur Verfügung. Vielleicht findet der ein oder andere noch Anregungen oder Herausforderungen für die eigene Beobachtungsplanung. Diese Zusammenstellung ist natürlich nicht erschöpfend oder allgemeingültig.


Hier gibt es den Guide als PDF zum Download:

PDF Dustlanes

Und das Ganze noch als kompaktere Excel zum eigenständigen Drin-Rumschmieren:

Tabelle Dustlanes

An der Stelle folgt nun noch ein bisschen Blabla zur Physik der Staubbänder:


In einer Galaxie ist verschiedenste Materie vorhanden. Neben den offensichtlichen Dingen (Sterne und Sternassoziationen, leuchtende HII-Gebiete, neutraler Wasserstoff, …) schwirrt da auch jede Menge Staub herum. Staub ist schwerer als das flüchtige Gas, weswegen er den Wegen der Schwerkraft folgt und sich im Zentrum einer Galaxie ansammelt – diesen Effekt können wir in unserer eigenen Galaxie leicht nachvollziehen, wenn wir in Sommernächten in Richtung Süden blicken und die vielen Dunkelstrukturen verfolgen, die sich entlang der Milchstraßenebene und v.a. im Zentrum konzentrieren. Dabei handelt es sich um innere Staubstrukturen.

Im Falle einer massereichen Spiralgalaxie kann der Staub aber auch in die äußeren Bereiche der Scheibenebene befördert werden, sofern die Rotationsgeschwindigkeit hoch genug ist. Als „kritische Schwelle“ wird ein Wert von 120km/s angenommen. Die fragmentierten Staubgebiete werden im Laufe der Jahrmillionen nach außen geschleudert und durch die Rotationskräfte in die Länge gezogen bzw. auseinandergezerrt. Innergalaktische Instabilitäten befördern diese Prozesse, wohingegen bei massearmen, stabileren, langsam rotierenden Galaxien diese Effekte seltener beobachtet werden. Der Staub verteilt sich hier nicht in den Außenbereichen der Scheibe, sondern eher diffuser und gleichmäßiger.

Blicken wir von der Seite auf solche Galaxien, sehen wir direkt auf die Staubkante, die sich in Form eines dunklen, kontrastreichen Bandes präsentiert und den helleren Hauptkörper durchschneidet bzw. sich daran anlehnt. Diese prächtigen Gebilde, die wir z.B. von M 104 oder NGC 4565 kennen, sind also der Perspektive geschuldet, aus der wir diese Galaxien betrachten.

Diese Annahmen gelten für Spiralen. Elliptische Galaxien, die meistens relativ alt und inaktiv sind, weisen nur wenig Staub auf, den sie nach außen tragen könnten; zudem erfolgt die Rotation nicht einheitlich, sondern vielmehr chaotisch; aus diesem Grund gibt es keine Scheiben-, sondern eine mehr oder weniger kugelige Form. Und dementsprechend auch keine klassischen dust lanes. Doch keine Regel ohne Ausnahmen: Es gibt elliptische Galaxien, die sich mit einem Staubband schmücken, doch die Ursache dessen liegt meist in früheren Kollisionen; diese Bänder sind also Überreste von Wechselwirkungen mit anderen, zerrissenen und einverleibten Galaxien. Ein schönes Beispiel hierfür ist NGC 5128, Centaurus A am Südhimmel.

 

Es gibt die verschiedensten Formen und Ausprägungen von Staubbändern; die Vielfalt ist immens. Schnurgerade dust lanes, die wie mit dem Rasiermesser gezogen sind, kommen sofort in den Sinn, wenn man an NGC 891, NGC 4565 oder M 102 denkt. Aber die Gravitations- und Störungseffekte, die die Dynamiken in einer Galaxie hervorrufen, bringen die absurdesten Gebilde zutage. Gebogene („curved“) Staubbänder, mehrfache Staubbänder („multiple“) nebeneinander, Staubbänder in Ringform oder verzerrte, „gewarpte“, auseinandergerissene Staubbänder. Diese können sich entlang der langen Hauptachse anordnen, was aus den beschriebenen physikalischen Ursachen heraus meistens der Fall ist; aber ebenso auch entlang der kleinen Achse, was häufig bei kugelförmigen Galaxien beobachtet wird.

 

Bei tiefen, hochaufgelösten Blicken auf Staubbänder, die uns Profi-Sternwarten oder die Weltraumteleskope eröffnen, sehen wir noch weitere „Mikrostrukturen“ innerhalb des Bandes, anhand derer wir auf die verschiedenen Prozesse schließen können, die in der Galaxie herrschen; Rückschlüsse auf die galaktische Entwicklung und innerdynamische Vorgänge werden offenbar. Einige Merkmale, wie z.B. Verklumpungen, säulenartige Filamente, Loops, Stauungen etc. tauchen in verschiedenen Ausprägungen immer wieder auf und werden durch Prozesse wie Sternwinde, Magnetfelder oder Supernova-Explosionen hervorgerufen. Üblicherweise deutet ein hoher Staubanteil in einer Galaxie auch auf eine hohe Sternentstehungsrate und Aktivität hin – somit lassen sich die hellen, bläulich leuchtenden Sternentstehungsgebiete gut erkennen, da sie sich kontrastreich vom dunkleren Staubband absetzen.

 

Das Wort „kontrastreich“ gilt bei Staubbändern leider hauptsächlich für fotografische Aspekte. Visuelle Beobachter haben es schwerer, die Dunkelstrukturen zu erkennen, da der Kontrast zwischen Galaxie und Band selten so hoch ausfällt, wie es fotografische Aufnahmen vorgaukeln. Auch wenn es nie verkehrt ist, sich ein Vergleichsbild vom DSS zur Vorbereitung zu nutzen, damit man weiß, was grob zu erwarten ist, darf man sich von den gut durchgezeichneten dust lanes nicht narren lassen. Daher gibt es leider wenige Exemplare, die schon mit kleineren Teleskopen zu sehen sind, und diese sind hinlänglich bekannt: M 104, NGC 4565, NGC 891 und – für Freunde des Südhimmels – natürlich Centaurus A.

Dass ein möglichst dunkler Himmel mit guter Transparenz von Vorteil ist, sollte selbstverständlich sein. Die Beobachtung der Staubband-Galaxien ist also kein Projekt, welches man vom innerstädtischen Balkon aus angehen sollte – kann man machen, davon ist wegen drohenden Frustpotentials aber eher abzuraten. Gutes Seeing ist hingegen weniger ein KO-Kriterium; es schadet aber natürlich auch nicht, wenn die Luft möglichst ruhig ist und keine unnötigen Schlieren in der Atmosphäre produziert. Eine Grundvoraussetzung, die für die visuelle Beobachtung allgemein gilt, darf an dieser Stelle auch noch einmal wiederholt werden: Geduld und Konzentration am Okular sind essentiell. Staubbänder sind keine Strukturen, die mit Pauken und Trompeten auf der Netzhaut einmarschieren, sondern schüchterne Gebilde, die mit entsprechender Ausdauer herausgearbeitet werden möchten.

 

Staubbänder erscheinen uns, unabhängig von ihrer Ausgestaltung, in zwei Grundformen: Direkt vor der Galaxie oder seitlich anschneidend. Dies zeigt sich auch im Okular. Dust lanes, die wie ein Mittelstreifen direkt durch den Galaxienkörper laufen, trennen ihn in zwei ähnlich große Hälften, sodass es – theoretisch – möglich ist, den dunklen Streifen als solchen wahrzunehmen. Im anderen Fall, also der seitlichen Lagerung, können wir das Staubband eher als dunkle Kante identifizieren, die die Galaxie an dieser Stelle wie abgeschnitten wirken lässt, während die andere Seite wie gewohnt sacht in den Hintergrund ausläuft.

Die Einteilung in „Schwierigkeiten“, die ich für meine Übersicht vorgenommen habe, ist eine Kombination aus „grob vom DSS abgeschätzt“ und „ok, da hat schonmal jemand was gesehen“ – das dient nur einem ersten Anhaltspunkt und hat keinerlei Allgemeingültigkeit. Wie schon beschrieben, leider sind die Objekte mit gut sichtbaren dust lanes rat gesät, aber man soll niemals „nie“ sagen. Ich bin auch kein Fan davon, irgendwelche Mindestangaben zur Öffnung zu tätigen, da viele zu viele andere Randfaktoren Einfluss auf die Sichtbarkeit haben. Einfach probieren, einfach machen. Frei nach Maria Mitchell: „Did you learn that from a book or did you observe it yourself?“ Im schlimmsten Fall hat man nix gesehen und kann danach immer noch auf M 42 zurückschwenken :-)

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