06./07.08.2016 – Nockalm-Rock’n’Roll

Urlaubszeit!!!



Endlich war es soweit. Ich hatte Semesterferien und Norman nahm sich einige Tage frei, damit wir einen vor längerer Zeit gefassten Plan umsetzen konnten: Mit Auto und Astrokram ab ins schöne Kärnten. Auf dem Programm stand zunächst eine Nacht in den Nockbergen, von Samstag auf Sonntag, von wo aus wir zum Gipfel der Gerlitzen reisen würden. Für das luxuriöse 4-Sterne-Hotel „Pacheiner“ besaß Norman einen Gutschein, der endlich eingelöst werden wollte. Tja, und so quälten wir uns bis in den Nachmittag hinein durch die vergnüglichen Stauwellen des Reiseverkehrs. Zum Glück hatten wir es nicht eilig und keinerlei Zeitdruck. Die Nockalmstraße, die sich durch das Biosphärenreservat schlängelte, bot diverse nette Stationen, an denen wir Halt machten, fotografierten, einkehrten, und so weiter. Die Wolkendecke riss erst am späten Nachmittag auf und es ging ein teils starker Nordwind. Auch, als wir am angepeilten Beobachtungsplatz – die runde Parkfläche am Windebensee auf 1.900m Höhe – ankamen, wurden wir durchgeschüttelt. Der Pfad rund um den See gefiel mir allerdings, und die größer werdenden Lücken am Himmel ließen Gutes hoffen. Der Standort selber war interessant: Etwas abgeschirmt von der Straße, umgeben von einem ca. 1,5 m hohen Wall, hinter dem die Weiden begannen, und mit zwei vielversprechenden WC-Häuschen ausgestattet.

Den restlichen Abend nach unserer Erkundungstour verbrachten wir im Auto sitzend. Die Strahlen der Abendsonne heizten den Innenraum auf, sodass es noch schön muckelig warm war, doch die heftigen Windböen donnerten gegen die Karosserie und wirbelten sogar kleinere Staubteufel auf, die wild über den Parkplatz tanzten. Wir überlegten, ob es sinnvoll wäre, uns doch bei der Eisentalhöhe zu platzieren, in der Hoffnung, dass die Hütte nennenswerten Windschutz bieten könnte. Ich plädierte allerdings für den Seeplatz, v.a. wegen der versteckten Position zur Straße. Wie durch Zauberhand vergingen die 2,5h Warterei überraschend fix. Der Blick in den Himmel jedoch machte uns skeptisch: Die tieferen Wolken, die, aus Norden kommend, sich spätestens im Zenitbereich auflösten, waren ja echt kein Drama. Doch allmählich wanderten fiese Zirren hinein, die im Laufe des Abends immer dichter wurden und den ganzen Himmel dick einschmierten. Schön sah das nicht aus. Sie krochen bis in die tieferen Südost-Lagen, als die Sonne unterging. Selbst die dünne Mondsichel verschwand hinter dem Vorhang. 

Zum Glück war ich mit Netbook und Surfstick bewaffnet. Zwar weiß ich nicht, wie hoch die Rechnung für die Roaming-Gebühren sein werden, aber ich war schon froh, in der tiefsten Pampa der Nockberge überhaupt eine gute EDGE-Verbindung zu haben. Wir prüften die üblichen Wetterseiten. Und die gaben allergrünstes Licht: Die Zirren sollten sich früh auflösen und einen blankgeputzten Himmel hinterlassen, der uns die gesamte Nacht hindurch erhalten bleiben wird. Und den Wind kriegen wir auch noch bewältigt, irgendwie.


Die Landschaft wurde nun in totale Ruhe und beginnendes Zwielicht getaucht. Wir wanderten auf dem Parkrondell umher und prüften die Windverhältnisse am äußersten Eck des Walles. Ich parkte den Wagen nach dorthin um, sodass er uns als zusätzliche Barriere diente. Es flaute ein wenig ab. Durch den verringerten Kontrast am dämmernden Himmel verloren sich die pinken Zirren, nahmen aber auch real ab. Während wir uns warm einpackten und unsere Teleskope aufbauten, löste sich der Kram kontinuierlich auf – und das, obwohl das vorhin noch so eine dicke Suppe war! Die Teleskope wuchsen in die Höhe, und ich konnte meinen neuen Leuchtpunktsucher am Hut arretieren, den Norman mir vermacht hatte. Ich erhoffte mir dadurch eine gute Ergänzung zum optischen 8x50-Sucher, bei dem mir manchmal einfach der Überblick fehlte.


Ich orientierte mich anschließend in Richtung der beiden WC-Häuschen und betrat die rechte Örtlichkeit, wo die berüchtigte Klobrille hochgeklappt war. Norman hatte mich dahingehend bereits vorgewarnt und wollte nicht wissen, warum dies so war. Im Nebenhüttchen war sie nämlich bräunlich gesprenkelt. Als ich die Tür hinter mir schloss, hieß es, den Atem anzuhalten, da die einzige Luftzufuhr nur noch über die Toilettenbrille und das darunter befindliche finstere Kämmerlein hindurch gewährleistet war. Und wir reden hier keineswegs von Frischluft, die der starke Wind von draußen dort heraufdrückte. Man möge mir die unfeine Ausdrucksweise verzeihen, aber es gibt einfach nichts zu beschönigen. Harte Fakten auf den Tisch: Bei dieser brutal stinkenden Lokusbrise hätte ich beinahe in die brillenlose Schüssel gekotzt. Der Rollkragen meines Pullovers bot einen halbwegs zuverlässigen Abgasfilter, aber der konstante Latrinen-Luftstrom wehte dann auch noch das „Nest“ aus Klopapier weg, was ich mir auf der Brille zurechtdrapiert hatte. Es war ein Ärgernis. Die perfekte Folterkammer auf 1,5m². Ich weiß nicht, warum, aber ich hielt es auch für nötig, die Augen zuzukneifen. Man weiß nie.

„Heilige Mutter Gottes“, fluchte ich, als ich, um Atem ringend, wieder beim Auto stand. Norman lachte über meine plastischen Schilderungen. Er kämpfte mit dem Streulichtschutz, der wie eine tollwütige Flagge im Sturm um die brandneuen Carbon-Teleskopstangen herumpeitschte. War schon witzig, der direkte Vergleich zwischen meinem massiven 16er und seinem geschrumpften 12“-Dobson, den er just einen Kopf kürzer gemacht hatte… Die ersten Sterne, die sich durch die restlichen Zirren schälten, verhießen seeingtechnisch nichts Gutes: Sie blinkten wie wild. Sowohl Mars und Saturn tief am Südhorizont, als auch Vega im Zenit über uns. Und im Dobson war es ganz finster: Schon in der Übersichtsvergrößerung ließen die Sternchen kaum scharfstellen. Ich wollte heulen. Doch je dunkler es wurde, desto mehr flockten die ersten Milchstraßenwolken aus und setzten sich vom Hintergrund ab. Der Vorhang ging auf – die Show kann beginnen!


Weil die astronomische Dämmerung noch nicht komplett vorbei war, begann ich mit hellen Sternhaufen am Sommerhimmel, was ich schon lange nicht mehr gemacht hatte. So kam der neue Sucher auch gleich zu seinem First Light – und ich war von der ersten Sekunde an begeistert. Es funktionierte tadellos! Ausgangsstern im Leuchtedings eingestellt – im optischen Sucher verfeinerte Suche und grober Starhop – Zack, Objekt drin. Was für ein Komfort. Wie konnte ich nur all die Jahre ohne leben? Unglaublich! Na, jedenfalls, NGC 6800 war ein auffälliger Haufen mit schöner Morphologie: Ein aufgelöster Ring in Form eines Apfels mit Stiel, oder „Piks“ und innen hohl. Sehr markantes Aussehen. Daraufhin ging es zu NGC 6793. Langgezogene Form, irgendwie pfeilartig, umgeben von weiteren Sternen in ringförmiger Anordnung. Das Haufenzentrum bestand aus zwei kleinen, unterschiedlich hellen Dreiecken.


Das war es auch schon mit der großspurig angekündigten „helle-Haufen-Tour“, denn mit Ray 18 folgte ein Objekt, das schon nicht mehr ganz alltäglich klingt. Und es auch nicht ist. Es handelte sich um eine unspektakuläre Sternansammlung aus 11 Mitgliedern, die sich langgestreckt-sichelförmig an einen anderen, hellen Stern anschmiegte. Weitere Mitglieder lösten sich bei höherer Vergrößerung heraus – je nachdem, wo man die Grenze zu ziehen gedenkt, sind es etwa 25 Sterne. Der Haufen war 1A aufgelöst und sah insgesamt aus wie ein flaches Glöckchen.


Nun war es, um 22:40 Uhr, richtig dunkel und die Milchstraße knallte quer über das Firmament. Keine Wolken trübten mehr den Anblick; wir schauten zu einem wirklich tollen, klaren Sternhimmel. Zwar war das Seeing allerfeinster Horror, aber man kann ja nicht alles haben. „Jetzt kanns losgehen!“, verkündete ich. Mir fiel auf, dass wir nirgendwo eine direkte Lichtquelle sehen konnten. Kein Hüttenlicht aus der Ferne, keine blinkende Windkraftanlage, keine Laterne, kein nix, kein gar nix. Lediglich das Streulicht von Villach und Klagenfurt ließ sich im Süden ausmachen, störte mich aber nicht und war sowieso nicht sehr stark. Als temporäres Störlicht lassen sich nur die Autos konstatieren, die – extrem selten – auf der Straße vorbeifuhren. Da wir allerdings versteckt und abgeschirmt platziert standen, war auch das kein Ding.


Der Wind hatte, im Mittel gesehen, deutlich abgeflaut, doch die zeitweise aufbrausenden Böen waren fies und es hieß in der Zeit, das Teleskop festzuhalten. Mein nächstes Ziel war der Haufen Berkeley 82. Ich beschrieb irgendeine schwache, granulierte Wolke, in dem Glauben, dass dies das gesuchte Objekt war. Nee. Mir fiel ein Stückerl drüber ein „lustiges kompaktes Muster“ auf, dessen 3 hellste Mitglieder in eine runde Sternkette eingebettet lagen. Es erinnerte mich an ein funkelndes Collier, und mir dämmerte, dass DIES sogar Berk 82 sein könnte, was sich im Nachhinein auch bestätigte. Schickes Häuflein!


Damit war die Haufenparade abgeschlossen und ich ging zu den Galaxien über, die ich mir in den Tagen zuvor herausgesucht hatte. NGC 6692, hoch oben inner Leier. Aufm DSS sieht es so aus, als würde dieses kompakte Objekt zwei Kerne besitzen, was es nun visuell zu überprüfen galt. Leider Fehlanzeige – obs an fehlender Öffnung lag oder an dem beschissenen Seeing, weiß kein Mensch. Egal. „Gut sichtbar, aber kein Brüller“, notierte ich, und eine rundlich-ovale Form. Nach Westen hin war was Stellares zu sehen, doch ich vermutete ein Vordergrundsternchen.


NGC 6688 geizt mit Details, doch auf dem DSS sieht die Galaxie irgendwie nett aus, mit ihrer kreisrunden Form und dem hellen, stellaren Inneren. Genau so präsentierte sie sich auch im Okular. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen.


Das Seeing schien, in den windärmeren Phasen, deutlich besser als noch zum Anfang. Wolken zeigten sich als schwarze, schemenhafte Löcher am Himmel. Hinter dem Bergrücken im Norden, wo am Abend schon die Wolken aufzogen, zeigte sich irgendein weiteres, schwarzes Gebrösel, was es allerdings nicht sonderlich weit schaffte. Gegen 23:20 Uhr meldete sich Norman nebenan und bot mir den Crescent-Nebel durch seinen Dobson an, für den er sich kurz zuvor den Astronomik genommen hatte. Die helle Sichel zeigte sich umwerfend schön und detailliert; je länger man hinschaute und diese Landschaft auf sich wirkten ließ, desto mehr Feinheiten waren in der hellsten Region zu sehen. Die „Fahne“, die mittig von der Sichel abstand, kam klar heraus, sodass sich das typische Aussehen des €-Zeichens ergab – nur halt mit einem Strich in der Mitte. Ich stellte NGC 6888 anschließend ebenfalls im 16er ein und freute mich drüber.


Das Highlight meiner Nacht war NGC 6764, eine Galaxie im Schwan. Ein heller, NO-SW ausgerichteter Balken mit hellem Zentralbereich, der von einem schwächeren, ovalen Haloglimmen umgeben war. Direkt südlich davon waren zwei schwächere Knäuel („Lichtbommeln“) sichtbar; der äußere davon lag nicht mehr im Halo von der großen 6764. Ich wunderte mich – noch zwei winzige, kompakte Galaxien? Bei höherer Vergrößerung stellten sie sich als Vordergrundsterne heraus. Außerdem hoben sich zwei Knoten im Balken ab – jeweils einer an jedem Ende. Wirklich ein tolles Arrangement!

Als nächstes folgte ein Pärchen mit klangvollen, vielversprechenden Namen, ebenfalls im Schwan. UGC 11465 und MCG +8-36-3 standen ca. 5‘ nördlich vom hellen Doppelstern 16 Cygni, der mich farblich an Albireo erinnerte. Die Galaxien gaben nicht viel her, außer, dass sie zwei runde Bausche mit hellen Kernen waren. Aber das Zusammenspiel mit dem Sternpaar machte es ziemlich attraktiv.

Pünktlich nachdem Norman verkündete, dass das Seeing soeben massiv eingebrochen wäre, steuerte ich in den Drachen, auf der Suche nach dem PN NGC 6742. Das kleine runde Scheibchen wirkte in seiner Nordhälfte heller. Kein Zentralstern, dafür aber blitzte das vorgelagerte Vordergrundsternchen am Westrand heraus, das ich zunächst als helleren Knoten missinterpretierte.

Mir war ein wenig kühl. Ich begann mit meinem Rundenlauf rings um den rondellförmig angelegten Parkplatz und sinnierte währenddessen äußerst zufrieden über die bisherigen Objekte. Wieder angekommen am Teleskoplager stieß ich folgenden Dialog an, der mein aus dem Sinniervorgang ergebendes Resümee wiedergab: „Und, läuft, oder?“ – „Jo. Jetzt brauch‘ ich aber mal schöne Sachen. Cas A hab ich skizziert, jetzt brauch‘ ich aber was Schönes, bei DEM Himmel…“ – „Tja. Ich hab nur schöne Sachen!“


Die nächste schöne Sache folgte auf dem Fuße mit dem Reflexionsnebel IC 5076. Wie wäre es mal mit einem Astro-Märchen? Es war einmal ein heller Stern im Schwan, den, landauf-landab, jedermann als den wackeren, berühmten HIP 103312 kannte. Er lebte schon lange, lange Zeit in den hellen Wolken der Milchstraße, nördlich des großen Königs Deneb. Westlich von ihm wohnte seine nette Nachbarin, eine gut sichtbare, großflächige Nebellandschaft namens IC 5076. Sie kannten sich schon, seit IC 5076 in den Kinderschuhen steckte, und der helle Schwanenstern HIP 103312 warf seitdem seinen schimmernden Glanz auf die Nebellandschaft. Sie sonnte sich in seinem Scheine. Ihre Grenzen blieben diffus und zart, doch wirkte sie leicht dreieckig, zumindest aber etwas langgestreckt. Umsprenkelt war dieses Gebilde von den Nachbarn der östlichen Ländereien. Es waren dies die Mitglieder des Sternhaufens NGC 6991-1, und südwestlich davon hauste das markantere Muster von NGC 6991-2. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sprenkeln sie noch heute, und leben glücklich und zufrieden in den dunklen Tiefen des weiten Alls. Vermutlich kam dann noch irgendein Prinz dahergeritten und irgendwer heiratete und wasweißich.


Ich versuchte, die Objekte systematisch und möglichst intelligent nach den jeweiligen Karten abzuarbeiten. Im Schwan war ich nun durch, also gings in die Eidechse, die ich zunächst mal mit dem bloßen Auge identifizieren musste. Ich schaute mir die Galaxiengruppe rings um der ovalen NGC 7240 an – einfach so, weils halt Spaß macht. Strukturen sah ich in keinem der nebligen Büschel, was aber auch gar nicht das Ziel war.

Während Norman zu Fotozwecken zum Windebensee herabspazierte, spazierte ich zu NGC 7250. Die war da schon bedeutend interessanter. Länglich und dünn (Achsverhältnis 1:4, so in etwa) und N-S-stehend. Gleich südlich stand ein Vordergrundstern. Bei höherer Vergrößerung grenzte sich der Zentralbereich besser vom Rest ab. Neben der Nordspitze blitzte nach längerem Hinsehen ein kleiner Sprenkel heraus, was mein eigentliches Hauptaugenmerk bei NGC 7250 war. Es handelt sich dabei um PGC 214816. Ich missinterpretierte es zunächst als irgendwas Schwaches aus unserer eigenen Galaxie, doch es machte einen leicht flächigen Eindruck.


Obwohl der Drache bereits kopfüber in Richtung Westen gewandert war und all meine Objekte, die ich mir dort ausgesucht hatte, längst unerreichbar waren, konnte ich zumindest noch das Trio NGC 6521 + 6512 + MCG +10-25-116 erreichen. Hübsch war wieder so ein auffälliger Doppelstern im Feld, östlich der Gruppe. Die beiden NGCs zeigten sich kompakt und rundlich; die 6521 etwas größer als die kompaktere 6512, diese wiederum mit ähnlich hellem Kern. MCG-Dingens war eine Aufgabe. Bedurfte eingehender Betrachtung, ehe sie als winziges diffuses Etwas herausblitzte; näher zu 6512 hin und ca. einen rechten Winkel zwischen den Galaxien bildend.


Ein Asterismus im Cepheus, unweit von NGC 6946 und 6939, war Larard 1. Der klang schöner, als er war – eine Enttäuschung. Zwar waren die verwinkelten Sternketten gut aufgelöst bei 130x, aber aufgrund der Sternarmut (ca. 15 Mitglieder) recht lose und locker. Die einzelnen Sterne waren allesamt recht ähnlich hell. Ein Teil des Asterismus erinnerte mich an das Muster des Großen Wagens.


„Schläfst du etwa?“, fragte Norman, während ich am Kofferraum kniete und meine Notizen schrieb. Er warf einen Blick über meine Schulter. „Kennst du den?“ Ich deutete auf mein nächstes Objekt, den PN NGC 7094 1,7° nordöstlich von M 15. Norman war verwundert, dass er das Ding noch nie wahrgenommen hatte. „Dabei hab ich M 15 schon echt oft gehabt“, sagte er. Mir ging es nicht unähnlich. Parallel steuerten wir also dieses übersehene Teil an, wobei mir die Ehre des [OIII]-Filters zuteilwurde. Bei 130x ein überraschend großer, runder Nebel, aber auch überraschend schwach daherkommend. Der Zentralstern reagierte empfindlich auf den Filter, denn ich fand ihn ziemlich mau, während Norman nebenan über den „fett hellen“ Zentralstern berichtete. Der PN war gut abgegrenzt; am Westrand zudem ein heller Außenbogen. Das Innere war dunkel. Wir überlegten, ob sich in diesem inneren Bereich weitere Strukturen versteckten, aber leider ließen das Seeing und das windige Gewackel keine näheren Erkenntnisse zu. Aber, mit der Performance meines 16ers war ich sehr zufrieden, denn durch die Massivität übertrug sich der Wind weit weniger im Okularanblick, als befürchtet. Norman formulierte es treffend: „Echt ein Fels in der Brandung.“

Es war halb 3 und bei meinen aufwärmenden Parkplatz-Pirouetten sah ich die Plejaden über dem Osthorizont. Ja mei, es ist August… Auch war M 15 freiäugig sichtbar und ließ sich sogar vom nebenstehenden Stern trennen. Ich blätterte in die Pegasus-Karten, wo noch ein paar Schmankerln auf Sichtung warteten. Allen voran, ganz wichtig, die berühmt-berüchtigte NGC 7241, die vor einem Jahr am Sudelfeld für Furore gesorgt hatte. Denn als Gimmick befindet sich eine Superthin direkt westlich der Galaxie, die ich nun sehen und zeichnen wollte. 7241 – Check. Easy. Schönes Teil. Doch anstatt mich an den Details zu erfreuen, verbiss ich mich in das Auffinden der bescheuerten Superthin, die einfach nicht auftauchen wollte. Ich erkundigte mich bei Norman nach der genauen Lage, was leider auch nicht half. Als er durchs Okular schaute, stellte er fest, dass sie „echt einfach“ war, „ähnlich wie im 21er“, womit er sich aufs Sudelfeld bezog. Er beschrieb mir die Lage auf mehrere Weisen, aber für mich spannte sich dort nur die pure Dunkelheit auf. „Da ist nix!“ – „Du verlängerst die Strecke zwischen der Galaxie…“ – „Nee.“ – „… und dem hellen Stern nach links und dann schau mal, was sich in dem Bereich tut.“ – „Da tut sich rein gar nix, weil da nix ist!“ Frustrierend, irgendwie. Norman vermutete, dass es schlicht an meinen müden Augen lag, die ja viele Stunden Autobahn intus hatten.

Jetzt brauchte ich mal wieder ‘ne schöne Sache. Nicht weit weg davon, ebenfalls im Pegasus, ging es zu der Gruppe NGC 7463, 7465 und 7464. Erstgenannte zeigte sich als ein länglicher Nebel, an welchem südlich ein kleinerer Fetzen andockte – die winzige 7464. 7465 komplettierte das Trio als ein runder, heller Fleck mit kräftigem Zentralbereich und war die auffälligste des hübschen Grüppchens. Ich war so angetan von diesem Arrangement, dass ich Norman herbeirief, der sich ähnlich positiv äußerte.

Nach der Zeichnung ging der Blick auf die Uhr: Dreiviertel Vier schon, und das Zodiakallicht feuerte dominant in den sonst stockfinsteren Osthimmel hinauf. Die oberen Regionen des Orion waren schon längst aufgegangen und verkündeten die unheilvollen Drohungen der kalten, aber schönen Winternächte. Es dauerte nicht lange, ehe die einsetzende Morgendämmerung auch den restlichen Himmel aufhellte. Ich joggte noch ein bisschen umher und versuchte, meinen schmerzenden Nacken aufzulockern. Beobachten ist anstrengend. Und jünger werde ich auch nicht mehr. Früher hab ich sowas deutlich besser weggesteckt, und jetzt krieg ich schon Nacken. Ein paar Meter die Straße hinauf, erhielt man Blick auf den Windebensee, der blass das Dunkelblau reflektierte. Kein glatte Oberfläche; der Wind kräuselte das Wasser. Das Hinweisschild vom Klo quietschte mal wieder in einer aufkommenden Windböe und rief mich zum Beobachtungsplatz zurück.

Norman stocherte selber noch ein wenig am restlichen Himmel rum und ich warf einen letzten Blick auf die Plejaden, deren Reflexionsnebelszenerie noch ganz gut durch die Linsen des 32mm-Okulars rutschte. Als ich zuendegenossen hatte, startete ich das übliche Einpack-Ritual. Die Autoscheiben waren leicht belegt; ein wenig Feuchte lag in der Luft. Glücklicherweise ohne Auswirkungen auf die Optik – vermutlich, weil der Wind alles totgeföhnt und davongeweht hatte. Ein wenig erstaunt war ich ja schon, dass ich weder müde war, noch gegen so einen fiesen Durchhänger ankämpfen musste. Aber nach der langen Zeit des Darbens wäre das nur noch schöner. Nee, ich war putzmunter und freute mich über die gelungene Ausbeute und all die schönen Sachen, die ich sehen konnte. Selbst das halbwegs intelligente Abarbeiten der To-Do-Liste hat funktioniert. Ha!


Nachdem wir alles eingepackt und irgendwie chaotisch und notdürftig ins Auto verfrachtet hatten, überlegten wir einen Schlachtplan, wie wir uns für ein paar Stündchen Schlaf betten konnten. Die Idee, sich zu zweit auf die Rücksitzbank zu quengeln, verwarfen wir schnell wieder, nachdem ich sogleich mit dem Hintern im Fußraum landete. Ich drapierte deswegen die zusammengefaltete Picknickdecke und ein Sitzkissen auf den Zwischenraum zwischen den Vordersitzen, sodass eine notdürftige Brücke geschlagen wurde und quasi eine lange Bank entstand. Als Kopfkissen dienten übrigens die riesigen Karstadt-Tüten, in denen unsere Zivilkleidung gestopft lag. Unter dem Schlafsack vergraben und heftige Lachkrämpfe erstickend, versuchte ich, irgendwie einzuschlafen und zu hoffen, dass die ersten Ausflügler noch eine Weile auf sich warten lassen würden. Von außen muss es ausgesehen haben wie das Auto von vagabundierenden Landstreichern. Was sollen die Leute denken?


Tatsächlich dämmerte ich rasch weg und schlief ca. 4h auf den Vordersitzen. Bis Norman mich hinten aus dem Fond heraus weckte, weil er gern frühstücken würde und das Essen im Fußraum des Beifahrersitzes lagerte. Ich fühlte mich wie erschossen. Die Füße waren eiskalt, die Füllung des „Kopfkissens“ quoll schon aus der Karstadt-Tüte heraus und die Handbremse unter der Picknickdecke hatte sich unangenehm in meine Hüfte gebohrt. Knurrend reichte ich den verfluchten Tengelmann-Fressbeutel nach hinten und blinzelte müde in das frühe Sonnenlicht. Es war halb 9 oder sowas, und zum Glück war der Parkplatz noch leer. Zeit genug, aufzuwachen, sich zu sortieren und für die weitere Reise gen Südösterreich fertigzumachen.

‘N Beobachtungsgericht von AKE

Gerlitzen, 09.08.2016

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