26./27.09.2014 - Eine "kurze" Nacht am Nebelhorn



Ursprünglich wollten wir ja zum HTT fahren, doch da die Wetteraussichten in der Alpenregionen gut und stabil waren, beschlossen wir, das Neumondwochenende im Süden der Republik zu verbringen und eine kleine Tour durchs Allgäu zu unternehmen. Zur Debatte stand auch der Gornergrat, der mit den allerallerallerbestmöglichen Prognosen aufwartete, doch die Motivation, die achtstündige Anreise in Kauf zu nehmen, war eher gering… Also lautete der Plan: Fahrt nach Oberstdorf und Beobachtung auf dem Nebelhorn – am nächsten Tag Fahrt ins beschauliche Dörfchen Eschach, wo wir uns in eine kleine Pension einquartierten – bisschen Schlaf nachholen – und anschließend Beobachtung im hohen Adelegg, wo wir uns auf die Beobachtung mit ein paar guten Bekannten freuten. Aber der Reihe nach…


Wir freuten uns beide gleichermaßen riesig auf die Exkursion, quasi ein Mini-Urlaub, denn schließlich lagen unsere letzten brauchbaren Beobachtungsnächte schon eine ganze Weile zurück – und die letzten guten (La Palma) noch viel länger. Zur Mittagszeit starteten wir am Freitag aus München gen Oberstdorf. Im Auto lagen zwei Teleskope (Normans 12-Zöller und mein 16er), eine bunte breite Okularpalette, viele warme Klamotten und Fressalien für die kommenden zwei Tage. Die Anreise war zwar geprägt von langen Autoschlangen, deren Insassen ebenfalls ins alpine Wochenende aufbrachen, aber dank Navi, starken Nerven und einem ordentlichen Zeitpolster kamen wir problemlos an und ließen das Auto auf dem Parkplatz zurück, während wir selber in die Gondel der Nebelhornbahn stiegen. Nun war mir auch vollkommen klar, wovon Norman immer spricht: Die stets wiederkehrende Frage der Leute beim Blick auf seinen riesigen Rucksack: „Ist da ein Gleitschirm drin? Wollen Sie fliegen?“ Der Himmel präsentierte sich überwiegend bedeckt und wolkenverhangen, doch ein paar blaue Lücken zeigten sich trotzdem durch die Scheiben der Bahn. Ganz allein waren wir nicht; unsere „Mitgondelanten“ nutzten die letzte Rauffahrt, um noch einmal mit ihren Schirmen ins Tal zu gleiten.

In der Station Höfatsblick war es recht leer – na klar, für die Betreiber ging der Arbeitstag zu Ende, weil die Touris schon wieder unten waren, und das Küchenpersonal räumte den Speiseraum auf. Ein paar versprengte Wanderer schlenderten draußen noch gemütlich über den Platz. Der Blick ging auf die Wetteranzeige: Temperatur am Gipfel 7°C, Windgeschwindigkeit 13 km/h. Na, schaun mer ma. Zunächst hieß es, die 130 Höhenmeter zum Plateau zurückzulegen, Normans Lieblingsplatz. Was für ein Geschleppe, vor allem für ihn, der den 30-kg-Rucksack, das Gestänge und eine schwere Tüte den steilen Weg raufhievte. Zumindest wurde uns ziemlich warm, trotz der kühlen Luft. Nach gut 20 Minuten, gegen 17:15 Uhr, waren wir letztendlich oben angekommen und wurden vom fantastischen, wolkenumsäumten Bergpanorama in Empfang genommen – und von etwa 30 Gemsen, die keine Hundert Meter von uns entfernt ihr Abendessen mümmelten, uns neugierig beäugten, sich aber ansonsten nicht von uns stören ließen. Toll, so etwas hatten wir noch nie erlebt!

Leider versteckte sich die Sonne hartnäckig, und auch der Wind war spürbar. Nicht allzu stark, aber kräftig genug, um mich bald schon frösteln zu lassen. Wir genossen die gute Fernsicht (vor allem der mächtige, knapp 8 km entfernte Hochvogel im Südosten war beeindruckend) und machten Fotos. Leider war der Spaß für mich bald vorbei, als ich feststellte, dass ich die SD-Karte daheim gelassen hatte und sich der knappe interne Kameraspeicher bedrohlich schnell füllte. Maaaaaaanno, ausgerechnet diesmal, wo es doch so viele schöne Motive geben würde! Naja, umso fleißiger war Norman bei der Sache. Irgendwie muss man die Zeit ja rumkriegen, und bis zum Sonnenuntergang war es noch ein Weilchen hin. Ich machte zunächst ein erstes Abendbrot, sortierte mein Zeugs, beäugte unsere „Nachbarn“ und ging umher. Ein zwischenzeitlicher Spaziergang zu der Skiwacht-Hütte, gut 100 m entfernt, ergab, dass man dort im Windschutz stehen würde, falls es nicht mehr abflauen sollte. Eine Mütze gegen die Kälte war rasch notwendig.

Der imposante Hochvogel wurde Verursacher eines wunderschönen Schauspiels: Die aus Norden heranrasenden Föhnwolken stauten sich weit oberhalb der Bergspitze, flossen gewissermaßen wie eine Welle darüber hinweg und fielen hinter dem Gipfel wieder nach unten. Später, als die tiefstehende Sonne durch die Decke brach und ihr warmes, goldenes Licht die Szenerie flutete, wurde jene beständige Wolkenwelle rosa angeleuchtet. Tief am Südhorizont war eine abrupte Kante in der parallel verlaufenden Wolkenschicht zu sehen, unter der der Himmel klar war. Die fernen Gipfel, die dort noch über die nahen Gebirgsketten herausragten, schienen in einem kalten Eisblau. Wie Scheinwerfer auf der nebligen Bühne eines Rockkonzertes schossen die Sonnenstrahlen wirr durch die niedrigen Wolken, die im Südwesten das Tal von Oberstdorf einhüllten. Und die ganze Landschaft, das komplette Bergpanorama vor unserer Nase, glühte regelrecht in den knalligsten Orange-, Rot- und Pinktönen. „Das ist der unglaublichste Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe“, stellte ich fest und ärgerte mich über den knappen Speicherplatz. Norman: „Das erinnert mich irgendwie an La Palma“ – sprachs und schoss unzählige Panoramen.

Er hatte bereits angefangen, den Dobson aufzubauen, doch da der Wind nicht nachlassen wollte, beschlossen wir, also tatsächlich zur Skihütte umzusiedeln. Das ganze Equipment war rasch transportiert und auf allen vier Bänken ausgiebig und verschwenderisch verteilt. „Ich habe Angst, das morgen früh wieder einpacken zu müssen“, meinte ich, und Norman versuchte, den Überblick zu behalten: „Die Bank nehmen wir als Schreibtisch, die hier für die Ausrüstung, hier kommt die Verpflegung hin…“ Im Schutze des Gebäudes verlor der kühle Wind an Kraft und mir wurde regelrecht warm. Eine gute Entscheidung. Zwischenzeitlich hatte auch das Lichtspiel geendet und die grauen, tristen Wolken hingen schwer am Himmel. Meteomedia hatte sogar Regen für den Abend vorausgesagt, und wir hofften, dass dies nicht eintreten würde…Jedenfalls riss die Decke für die nächsten Stunden nicht merklich auf. Norman justierte sich in seinem Perfektionismus beinah zu Tode, gratulierte sich selbst zu seiner neuen Streulichtschutz-Konstruktion und kaute danach auf seinem wohlverdienten Abendessen. Der Dobson parkte unter der Überdachung und wir saßen wartend auf der „Sitz-Bank“, während sich um uns die sternlose Nacht herabsenkte. Ich konnte mir irgendwie schwer vorstellen, dass wir die nächsten 12 Stunden hier verbringen sollten – wie autoverwöhnt ich doch bin! Über den östlichen Berghang des Nebelhorngipfels zog regelmäßig das Flackern mehrerer Punkte eines grünen Lasers her, der vom Höfatsblick stammen musste und an den Felsen des Nebelhornmassivs entlangstrich, doch über dessen Sinn und Zweck konnten wir nur rätseln. Mich müdete und eine große, stabile Lücke war nicht in Sicht, weswegen wir Isomatten und diverse weiche, großflächige Kleidungsstücke auf die Terrasse zerrten und uns unter den warmen Schlafsack verkrochen. Ich war mehrfach am Wegdämmern, doch die Blicke in den nur sporadisch mit Wolkenlöchern durchsetzten Himmel hielten mich wach.


Gegen halb 1 tat sich eine größere Lücke auf und voller Tatendrang machten wir uns ans Werk. Norman peilte in den Pegasus, um UGC 12914/5 einzustellen, die sog. „taffy galaxies“. „Müssen es zum Einstieg denn gleich diese schwachen Dinger sein?!“ Jo. Beim Blick durchs Übersichtsokular zeigte sich, westlich eines helleren Feldsterns, ein einfacher, undefinierbar geformter Nebel. Zu mehr reichte die Beobachtung nicht, da die Wolken das große Fenster wieder schlossen und wir blöde in die Röhre schauten. Prima. Vor allem Norman ärgerte sich. Och, Mennoooo! Als sich in der Folgezeit weiterhin nichts tat, verkrümelten wir uns gegen halb 2 wieder unter den Schlafsack und warteten.


Während Norman, nach eigener Aussage, mehr oder weniger im Wachzustand vor sich hindämmerte und versuchte, mittels Smartphone die aktuellen Sat-24-Bilder und Meteomedia-Prognosen auszuwerten, studierte ich eine Karte jener antarktischen Region, in der ich gerade ein 6-monatiges Praktikum durchführte. Keine Ahnung, worum es ging. Ich wohnte in einem niedlichen Häuschen mit kleinem Garten und bekam Besuch von Norman. Wir saßen im Dunklen auf der Veranda, als ich von links ein Schnarchen hörte. „Oh-oh, da ist ein schlafender Eisbär im Garten!“, sagte Norman und bedeutete mir mit hektischen Gesten, leise zu sein, damit der Bär nicht aufwachte. Leider vergebens. Plötzlich griff uns das riesige Tier an und baute sich brüllend vor uns auf, doch anstatt die Flucht zu ergreifen, stellte ich mich der Herausforderung und kämpfte wie ein Mann – erfolgreich! Der Eisbär lag, größtenteils zu Staub zerfallen, in meinem blauen Wäschekorb, den ich mehrfach quer durch den Garten schmiss, und ich war stolz über meinen Sieg. Von Norman jedoch kam kein Lob, sondern nur der unsinnige Satz: „Anne, wach auf! Sternenhimmel!“ … Häh??

Im nächsten Augenblick lag ich wieder am Nebelhorn, eingemummelt unter dem Schlafsack, und sah einen dunklen, klaren Winterhimmel. Orion, Fuhrmann, Plejaden und Co… Ich fluchte und blickte auf die Uhr: Halb Vier. Ja Wahnsinn, das waren fast zwei Stunden Schlaf! Zwar war ich noch leicht verstört von dem Eisbär-Traum, fühlte mich aber erstaunlich fit, erholt und war bereit für alles, was nun kommen mochte. Auf geht’s! Norman stand schon längst am Teleskop und peilte durch den Sucher, um irgendwas anzusteuern, das er im Atlas gefunden hatte. Die letzten Wolken zogen ab, die Wintermilchstraße in ihrer zarten Brillanz verlief am Orion vorbei und die Sterne funkelten nur wenig – gutes Seeing! Das SQM-L spuckte im Mittel zwischen 21,4 und 21,5 aus, und eine Grenzgrößenbestimmung im Triangulum ergab 6,9 mag. Mindestens – abzüglich „Getönte-Brille-Faktor“ werden es sicher 7,0 gewesen sein. Das Zodiakalband jedenfalls war kein Problem, vor allem im Bereich zwischen Widder und Stier auffällig.

Bahn frei für Deep Sky! Norman stellte NGC 1579 ein, eine Nebelregion im Perseus. Hell und auffällig, in rundlicher Gestalt. Bei etwas höherer Vergrößerung oval bzw. sogar eckig wirkend. Die auf Fotos markanten dunklen Bänder erschlossen sich mir nicht, doch ein Helligkeitsgefälle von Nord nach Süd war zu erkennen.


Norman ging nun in den Cepheus und peilte eine Konstellation aus Sternhaufen (bzw. gleich 2) und einem Reflexionsnebel an. Der OC NGC 7142 war ziemlich groß und mit vielen schwachen Sternen bestückt, die dicht beieinander standen, sich aber zum Zentrum hin nicht sonderlich stark konzentrierten. Die Form war interessant und glich wie einer flächigen, dreigliedrigen Vogelkralle oder einem Entenfuß. An den Spitzen der Glieder, die in den Süden ragten, standen jeweils die hellsten Sterne des Haufens. Im 8er-Ethos fand sich die optimale Vergrößerung und so war der Cluster aufgelöst in etwa 40 Sterne. Der nebulöse Nachbar, NGC 7129, präsentierte sich als längliche, „weiche“ Fläche, die fünf o. sechs Sternchen einhüllte. Nach Osten hin breiter wirkend und mit einer kompakten Verdickung versehen (oder war es ein weiterer Stern?); insgesamt tropfenförmig gestaltet. Westlich dieses hübschen Duos befand sich zudem der Asterismus Pothier 4. Eine auffällige, längliche Gruppe aus 12 lose verteilten und unterschiedlich hellen Mitgliedern, die sich in einem Parallelogramm gruppierten. Unspektakulär. Aber immerhin.


Anschließend sollten es nochmal die „taffys“ sein, und diesmal war ihnen mehr Beobachtungszeit vergönnt. Wieder erschien beim hellen Feldstern der Nebelklumpen, der sich in zwei enge, ovale Galaxien mit ähnlicher Kipprichtung aufdröselte. Der östliche Kollege wirkte „gedrungener“ als der Nachbar. Eindeutig und problemlos, aber schwach und ohne Details oder Strukturen.


Während Norman über dem Atlas brütete, erfreute ich mich an etwas Einfachem – den Plejaden und der weiten Reflexionsnebellandschaft von Merope. Hach, „Reflexionsnebellandschaft“ – schönes Wort… Und wenn wir schon mal bei den Messier-Klassikern waren, musste auch M 42 dran glauben. „Grün“, sagte Norman, „und so rostbraun, die Kante bei der Huygens-Region.“ Ich geriet in helle Aufregung – einen grünen Orionnebel kenne ich, aber diese braune Farbtönung hab ich noch nie gesehen. Doch auch diesmal nicht. Was er als „auffällig“ beschrieb, blieb mir verborgen. Eventuell schien mir die südliche Schwinge dezent schmutzig-braun, aber es war wohl eher Wunschdenken. Nichtsdestotrotz – M 42 war bei diesem Himmel natürlich durchaus ein ansehnliches, hübsches Ding.

Auf meinen Vorschlag hin, weil das Seeing so „PN-tauglich“ war, entschieden wir uns nun für den Eskimo-Nebel, den ich einstellen durfte. „Hab ihn!“ (Norman: ich war geschockt - Anne als PN-Muffeline findet das Teil sofort und ich habe es noch nicht mal geschafft, die richtige Seite im Atlas aufzuschlagen!…) Für Norman brach nun ein feierlicher Moment an: Die Premiere seiner kürzlich erworbenen 2,5x-Powermate. Und wir waren völlig von den Socken, was NGC 2392 bei 600-facher Vergrößerung an Details preisgab. Der innere Ring, für dessen charakteristische Form es keine mir bekannte Bezeichnung gibt, war klar und scharf von der runden „Kapuze“ abgegrenzt und umgab den hellen Zentralstern. Der innere Ring schien mir im westlichen Bereich heller und beinahe „knotig“, was im Nachhinein aber eine Täuschung war.


Irgendein Tier röhrte oder jammerte einige Male unten im Tal; klang irgendwie elchähnlich. Und abgesehen von der Windfahne, die 50 Meter entfernt im weiterhin stetig-schwachen Wind vor sich hin quietschte, war es komplett ruhig in der Gegend. Herrlich. Norman war hellauf begeistert von seiner Powermate und verkündete: „Ich mach‘ mal was ganz Absurdes: Orionnebel mit 600fach!“ Was beim hochstehenden Eskimo noch super klappte, war bei M 42 aber schon zu viel des Guten. Das Zentrum war bei der Vergrößerung zu flau und verwaschen. Im Osten feuerte bereits das pyramidenförmige Zodiakallicht hoch, verkündete die bald einsetzende Dämmerung und der helle Jupiter stand mittendrin.


Ich blätterte im Atlas nach irgendeinem Objekt und stieß auf Abell 12, in der Nähe von Beteigeuze. „Nee, den hab ich schon versucht“, sagte Norman. „War nix zu machen. Geht nicht ohne Filter.“ Das war mein Stichwort und ich feixte: „HAA! Haaa!“ Heimlich hatte ich meinen [OIII]-Filter mit hinaufgeschmuggelt, um ihm Ruhm und Ehre zukommen zu lassen – schließlich war Norman ein konsequenter Nebelfilterverweigerer Hm… Auch ein schickes Wort! Ja, also Abell 12. Im 8er-Ethos und mit eingeschraubten [OIII] war der PN als nordwestlicher, runder „Auswuchs“ des Lichthofes um My Orionis zu erkennen. Die komplette Scheibe löste sich nicht heraus, es blieb zum Teil mit dem Hof verschmolzen und zeigte ansonsten keine weiteren Details.

Als ich gerade mit Papier und Stift am Okular stand, erhellten mehrere mörderische Flutscheinwerfer, die an der Bergstation unten standen, die gesamte Umgebung in ein helles Licht. Selbst das Nebelhorn und der benachbarte Bergkamm waren erleuchtet, als schiene satt der Vollmond drauf. Wir fluchten, denn von der Terrasse aus standen wir im direkten Licht und mussten das Teleskop umstellen. Dennoch strahlte der Scheinwerfer stark empor und versaute uns regelrecht den gesamten Südhimmel. Trotzdem, Abell 12 wollte ich mir nicht nehmen lassen…

Am Höfatsblick „unten“ auf 1950 m herrschte reges Treiben, obwohl es erst halb 6 war. Was war los da? Man baute Bierzeltgarnitur und eine Bühne auf, da Bergandacht auf dem Programm stand. Wussten wir in dem Moment nicht; wir ärgerten uns nur. Naja. Die Morgendämmerung war angebrochen und nahm verdammt schnell zu, enthüllte ein paar zarte Schleierwölkchen im Nordosten und tauchte die nähere Umgebung in ein fahles Licht. Das Papier war erstaunlicherweise klamm, denn die Luftfeuchte hatte mehr oder weniger sprunghaft zugenommen – von 50% gegen Mitternacht auf 80% um 06:00 Uhr. Die letzten Blicke durchs Teleskop, noch weit bis in die Dämmerung hinein, galten dem herrlich strukturierten Jupiter und seinen Monden (zwei links, zwei rechts).

Es wurde heller und heller; das weitläufige Bergpanorama grenzte sich scharf von dem glasklaren, blauen Himmel ab. Bald striffen die ersten Sonnenstrahlen die obersten Berggipfel, und wir gingen zum Plateau zurück, um dem Schauspiel zuzusehen. Oben angekommen, feuerten sie uns bereits entgegen. „Photonen!! Wärmt mich!“, rief ich und freute mich über den begonnenen Tag. Die Hänge rings um uns leuchteten im satten Gold und ein paar Gemsen standen schon wieder an den steilen Wänden, wo sie kleinere Steinlawinen lostraten. „Somewhere dawn is breaking, light is streak across the floor“, kam es mir von Bob Dylan in den Sinn. Die ersten frühen Wanderer stapften zum Nebelhorngipfel empor, ohne von uns oder dem Dobson, der noch neben dem Häuschen stand, überhaupt Notiz zu nehmen.

Im Folgenden baute Norman das Teleskop ab und wir kramten unsere Sachen zusammen, um sie in Rucksäcke und Tüten zu verstauen. Im Sonnenlicht wurde uns bald warm. Kaum zu glauben – kurz zuvor fröstelte ich noch, und nun stand ich da in kurzen Hosen rum. Aufgrund des Events pendelten schon früh die ersten Gondeln zwischen Höfatsblick und der Gipfelstation. Wir lachten über die dicht aneinandergedrängten Menschenmassen, die sich hinaufchauffieren ließen. Doch die Müdigkeit fiel allmählich über mich her, und während Norman seinen Dobson verpackte, saß ich müde gegen das Geländer gelehnt und ließ mir träge die Sonne ins Gesicht scheinen.


Auf geht’s! Der Abstieg war nicht ohne, denn der steile Weg verlangte Normans Oberschenkeln einiges ab. Ich machte mir eher Sorgen, dass die schottrigen Passagen mich ins Rutschen brachten und den restlichen Weg auf dem Hintern zurücklegen ließen. Aber alles ging gut. Auf dem Platz der Station herrschte mächtig Halligalli: Neugierige Touristen, Wanderer, Jungs von der Bergwacht, gestresste Bahnführer und wuselige Bauarbeiter gaben sich die Klinke in die Hand und bereiteten sich auf die Veranstaltung vor. Die dicht besetzten Gondeln brachten weitere Menschen aus dem Tal hinauf, während wir so ziemlich die einzigen waren, die hinunterfuhren, und sogar das Equipment auf einem Transportwagen ablegen durften. Gegen 09:30 Uhr erreichten wir das kühle Oberstdorf, wo uns eine lange Menschenschlange erwartete – alle standen am Einlass der Nebelhornbahn an. Ich freute mich, dass an meinem Auto kein Knöllchen klebte (Parkscheinpflicht galt ab 08:00 Uhr) und wir verstauten die Ausrüstung sorgfältig, ehe die Reise zur nächsten Station gehen sollte.

Fazit dieser Nacht: Jammerschade, dass der Himmel erst so spät aufmachte und wir wenig Zeit für Deep Sky nutzen konnten. Doch die Eindrücke und auch das Dämmerungsspiel am Abend entschädigten für alles, sodass ich positiv an diesen Ausflug zurückdenken werde. Schließlich war es mein erstes „Norman-Bergbahn-Survival-Astro-Outdoor-Nebelhorn-Abenteuer“. Und laut seiner Expertise mit Bravour gemeistert – inklusive Nickerchen und gewonnenem Kampf gegen einen blutrünstigen Eisbären :-)
 

 


Ein Beobachtungsbericht von NormanG und AKE

30.09.2014

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