11.04.2023 - Zu dritt auf dem Acker

Kachelmanns blöde Temperaturkurve mal wieder. Ich hatte es gewusst. Man hatte mich für gaga erklärt, weil tagsüber immer wieder ergiebige Regenschauer, Gewitter und Hagel über uns hinweg zogen, bis in den frühen Abend hinein, und ich hatte trotzdem unbeirrt und komplett überzeugt davon gesprochen, beobachten zu fahren. Wenn Kachelmann sagt, dass es arschkalt wird, dann wirds klar! Um 20 Uhr war es aber noch stark bewölkt; es war mir zu unbeständig und ich legte mich ins Bett. Konnte nicht schlafen, war unruhig, gucke 20:39 Uhr nochmal aus dem Fenster und springe sofort, wie von der Tarantel gestochen, durch die Bude, um mein Zeug zusammenzupacken: Der Himmel war plötzlich sowas von blankgeputzt. In dieser Woche waren die Rahmenbedingungen für derlei Aktionen so gut wie noch nie, weswegen ich mir fest vorgenommen hatte, jede Möglichkeit zu nutzen, egal, was die Kollegen hinterher zu den Augenringen sagten, die ich stolz im Büro präsentieren würde.


20:58 Uhr war ich im Garten, um mein schweres Gerödel ins Auto zu transportieren. 21:03 Uhr fuhr ich ab und kam 21:17 Uhr an meinem Plätzchen von vorgestern wieder an. Herrliche Ruhe wieder, wunderbar, so will ich das haben. Die Venus strahlte wunderschön am buntgefärbten Westhimmel, Merkur darunter am Horizont, und Orion und Sirius verabschiedeten sich schon wieder. Klarer Himmel in allen Richtungen. Seeing deutlich schlechter als beim letzten Mal und leider auch etwas windig. Ich wuchtete sofort die Spiegelkiste hinaus, damit der Glasklotz möglichst schnell auskühlt; und nach dem Aufbauen gabs den obligatorischen Becher Kaffee (die unter Druck stehende Thermosflasche legte erneut ein verdächtiges Verhalten an den Tag) und letztes Nachsinnieren. Die Dämmerung zog sich hin; zwei Tage machten sich tatsächlich bemerkbar. Erst gegen Dreiviertel 10 war es einigermaßen dunkel genug.

Den Anfang machten das Galaxienpaar M 95 und M 96, derzeit ja in aller Munde. M 96 klar heller, länglich-oval mit einer leichten Biegung, sodass die Form dreieckig wirkte, die Enden etwas spitzer; zur Mitte hin kräftiger zulaufend. M 95 rund, wirkt neben M 96 ein wenig blass. Ein breiter, mittiger Balken setzte sich nach längerem Sehen ab und entlang der Ränder wurde es ein wenig heller - Hinweis auf die Spiralarme, aber viel viel schwerer, als ich das erwartet hatte! Das war alles so dezent, dass ich es kaum richtig wiedergeben kann, ohne überzeichnen zu müssen. Naja.

Vom Westen her wehte ein leichter, aber konstanter und eisekalter Luftstrom über den Acker und traf mich voll von hinten. Sehr unangenehm. Mir wurde schnell kalt, und da ich meine Handschuhe irgendwo zuhause liegengelassen hatte, waren die Hände gleich eingefroren. Wenn Kachelmann sagt, es wird arschkalt, dann...! ... sollte man sich warm anziehen. Das habe ich nun von meiner Hektik. Egal. Der Himmel war zwar klarer als vorgestern, kam mir aber auch schlechter vor, ohne dass ich sagen könnte, warum. Die Thermosflasche auf dem Beifahrersitz machte wieder ihr komisches Zischen und irgendwo aus Südrichtung brummte es immer wieder mal los. Ab und zu war dort ein helles Licht zu sehen, welches ich als Traktor identifizierte, der in 700 oder 800m Entfernung seine ruhelosen Runden drehte.

Weiter ging es mit NGC 3405 und 3399. Hätte ich vorher mal noch Objektplanung gemacht, dann hätte ich die weggelassen. Denn mehr als die reine Sichtung beider Objekte war da am Okular zunächst nicht zu holen. Zitat aus dem Notizbuch: "eine heller als die andere, länglich; die andere ist recht schwach". Dazu noch eine Skizze. In der Nachbereitung: NGC 3399, die schwächere, war ein kleiner, runder, völlig langweiliger Blob. NGC 3405 schien ein länglicher Blob zu sein, eine Nuance heller - wunderte mich, denn im Atlas war das Label kugelrund und nicht länglich eingezeichnet. Aber aufm DSS entpuppt sich das Ganze aber nun als zwei Blobs: Zwei einzelne, winzig kompakte Galaxien, die so eng beieinander standen, dass ich sie als Eins wahrnahm. Es gäbe noch weitere Blobs im Umfeld, aber zu schwach, als dass ich sie sichten konnte.

Zunächst war ich enttäuscht über die Objektauswahl, aber das Trio um NGC 3812 riss es sofort wieder raus. Auch die drei Galaxien waren einzeln betrachtet nicht besonders spannend, aber wie sie sich in unterschiedlichen Abständen um den hellen Feldstern gruppierten, das war schon ganz nett. NGC 3812 zeigte sich mit einem sehr hellen Zentralgebiet und ansonsten kompakt. NGC 3798 im Westen ähnlich, allerdings schwächer, und NGC 3815 östlich des Sterns erschien oval. Ansonsten keinerlei Details in den Objekten.

Kurze Kaffeepause nach 23 Uhr, um die Hände aufzuwärmen. Scheiße, ist das kalt, dieser lausige Wind. Der wurde beständig stärker und drang durch alle Klamottenschichten. Danach folgte eine weitere Gruppenüberraschung rings um NGC 4007 - hier gab es ganz viel zu entdecken. Etliche Nebelbälle sprangen mich im Okular an; das Sternfeld war ebenfalls recht ergiebig. Schönes Ziel, mein persönliches Highlight aus den beiden Nächten.

Ich hatte gerade zufrieden und beseelt die Skizze weggepackt und stand am Kofferraum, als es plötzlich brutal laut knallte. Oh wei. Dass in ca. 500m Entfernung, in Richtung des Traktors, ein Hochstand war, wusste ich, aber dass sich da tatsächlich auch mal einer draufsetzt, das konnte doch niemand ahnen. Dann nochmal Schüsse. Eigentlich, so dachte ich, konnte der Jager mich gar nicht sehen, weil eine flache Kuppe zwischen uns lag, aber mir wurde das auf einmal ein bisschen zu gruselig. Ich hatte keinerlei Bedürfnis, im Laufe des Tages in der Lokalpresse erwähnt zu werden ("Jäger erschießt Astrologin auf dem Acker!"), und weil der biestige Wind weiter zunahm, deutete ich das als Signal, einzupacken. Es war zwar noch massig Zeit bis zu meiner gesetzten Deadline und so richtig was geschafft hatte ich gefühlt irgendwie auch nicht, aber als der dritte Schuss durch die Luft knallte, sputete ich mich lieber.

Nach ein, zwei letzten Fotos war gegen halb 12 Abfahrt. Dadurch ging wenigstens etwas mehr Schlaf her (5 Uhr war ich wieder putzmunter) und die Kollegen hatten weniger zu lästern.

Share by: