18./19.03.2015 - Messiergucken für die Wissenschaft

Eine komische Wetterlage, die Mitte März in den Bergen herrschte. Die Webcams zeigten oft stark eingetrübten Himmel, Dunst und maßen hohe Luftfeuchtewerte; zeitgleich war es in den niederen Lagen dagegen wesentlich trockener. Das Wochenende zog deswegen ungenutzt an uns vorbei, und pünktlich zur Wochenmitte wurde für die Alpenregion gutes, brauchbares Wetter prognostiziert. Suuuper.


Zum Glück konnte Norman auf seiner Arbeit was deichseln, sodass wir die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nutzen konnten. Zielregion war das Sudelfeld, was von München aus in einer guten Stunde erreichbar ist - wenn da nicht der extrem starke, dichte Feierabendverkehr gewesen wäre, der uns hartnäckig festhielt und nur widerwillig aus den Toren der Stadt entließ. Ein Hoch auf die Autobahn. Je tiefer wir dann in die Pampa des Mangfallgebirges hineinfuhren, desto einsamer wurden die Straßen, desto ruhiger wurde die Welt. Souverän schraubte sich unser Auto den Weg hinauf, vorbei an den Schneewänden, bis wir endlich, gegen 19:50 Uhr, am Platz angekommen waren.


Ein silberner Berlingo, ein 3m hoher Dobson und eine auf dem Boden liegende Leiter erschienen im Scheinwerferlicht - Uwe war schon da. Nach kurzem Begrüßungsplausch und Lagecheck sah ich zu, mich den Umständen entsprechend anzuziehen: Bei nur 3°C stand ich noch in kurzen Hosen rum. Ansonsten war es aber echt angenehm; es ging kein Wind, es war trocken und der Platz hatte Atmosphäre. Am Oberen Sudelfeld war noch mächtig Betrieb, denn die Pistenraupen gurkten weithin hörbar und sichtbar über die schneebedeckten Hänge und abendliche Skifahrer tobten sich im Flutlicht aus. Leider entsprach der Himmel den Anblicken der Webcams der letzten Tage: Irgendwie dunstig, irgendwie eingetrübt. Aber vielleicht wirds ja noch; zumindest das Zodiakallicht bei den Plejaden war zu sehen. Erstmal aufbauen und Käsebrote kauen, dann klappt das mit dem Denken, dann sehen wir weiter.


Derart gestärkt und für alle Schandtaten bereit, ging ich im Atlas auf die Suche nach den geplanten Zielen. Der Winterhimmel hing mir mittlerweile schon zum Hals raus, und die letzten verbliebenen To-Do-Objekte würden wohl allesamt nicht so der Kracher sein (sonst wären sie ja nicht übrig geblieben). Basel 11A: Der Opener der Nacht, und gleichzeitig auch die Enttäuschung der Nacht. Der Haufencharakter war gut zu erkennen; rings um die beiden hellsten, dominanten Mitglieder befanden sich weitere ca. 25 Sterne; allesamt bedeutend schwächer und nahezu gleicher Helligkeit. Problemlos aufzulösen. Die Gesamtform des Haufens erinnerte mich an einen Eselkopf, den man von der Seite sah: ein länglicher Kasten (das Maul), von dem eine markante Kette in den Norden ragte (die Ohren). Der hellste Stern markierte das Auge; am Hals stand der zweithellste. Ich hatte mir mehr erhofft von dem Ding; vom Hocker riss es mich nicht. Uwe und Norman wollten, trotz meiner Vorwarnung, unbedingt durchschauen („Ba - sel! Ba - sel! Ba - sel!“), und zeigten sich witzigerweise wesentlich angetaner von dem Cluster als ich.

Ähnlich langweilig begann es zunächst mit Monti 7, einem Asterismus, der mir zufällig auf der Karte ins Auge sprang. Ein auffallendes, recht ausgedehntes, loses Grüppchen mit wenigen, dafür aber hellen Sternen. Interessant wurde die Sache durch ein auffallend rotes Mitglied, was auch der Grund war, dass ich ihn mal festhielt. Kann ich dann nämlich super im Vortrag nächste Woche verwurschten. – Haha, denkste. Leider krieg ich die Zeichnung nicht mit dem entsprechenden DSS-Ausschnitt in Einklang… Hab ich wohl mal wieder ‘ne falsche Gruppe erwischt.


Nebenan fluchte Uwe über die Nichtsichtung des Amrum-Nebels, der vor nicht allzu langer Zeit erst entdeckt wurde. Die Bedingungen waren aber leider wirklich nicht der Oberhit und die Himmelsqualität ließ zunehmend zu wünschen übrig. Ein zirriges Geschmiere, angeleuchtet von den Lichtern am Oberen Sudelfeld, stieg im Süden auf; die Füße des Orion waren verschwunden. Norman durfte sich ein Objekt wünschen, das Uwe im 27er einstellte, und entschied sich für NGC 2903. Ich durfte auch mal durchschauen. Bei der mauen Transparenz zeigte sich die Galaxie tatsächlich nur wenig besser als im 16er am Rossfeld. Anschließend hörte ich zu, wie sie den Erdnuss-Nebel NGC 2371/2 auseinandernahmen und irgendwelche Knoten zu positionieren versuchten; mit und ohne Filter. Witzige Zeitangaben wurden geäußert. „Wo siehst du den?“ – „So auf… 5 Uhr. 6 Uhr.“ – „Nee, der ist eigentlich auf der anderen Seite, wenn du vom Zentrum ausgehst.“ – „Naja, mein ich doch!“ Ja genau - meinte ich doch! Ich versuchte mir im Geiste vorzustellen, wovon die Rede war, doch es gelang mir nicht. Trotzdem lustig. Dann drehten sich die Gespräche über irgendwelche Superthins, während ich in die Hydra peilte, in der Hoffnung, die auserkorenen Arps mögen sich doch gnädigerweise durch die Wolkenschichten quälen. Naja. Irgendwie schon, aber derart schwach und schlecht, dass ich den Skizzenblock beiseitepackte und auf Auflockerung warten wollte. Vergeblich. Arp 221 - wir sprechen uns nochmal. Gleiches gilt für Arp 305 und die nebenstehende NGC 4004 A/B, die ich zwar sehen konnte und eine Skizze begann, doch da waren die Wolken eben leider schneller.


Mit einemal war es nicht nur der Südhorizont, der in der Schmiere stand, sondern der komplette Himmel, von vorn bis hinten, von oben bis unten. „Wenn alle Stricke reißen, gucken wir uns eben wirklich Jupiter an“, meinte Uwe. Während ich neben meinem Dobson auf dem Boden rumsaß, mich mit warmem Kaffee bezauberte und die Lage zu akzeptieren versuchte, schauten sich die Herren nebenan den Jupi an. Ein kurzes Umherwandern auf dem Fahrweg öffnete außerdem den Blick auf das rege Treiben im Skigebiet, wo die Pistenraupen dumpf brummten. Nach meiner Rückkehr bot man mir eine Galaxie im 27er an: NGC 4449 war, trotz Wolken, wirklich einen Blick wert.


Dann endlich, ab halb 11 etwa, begann die Suppe wieder zu zerbröseln; immer mehr Sterne tauchten auf und riefen uns zurück an die Arbeit. Norman wollte, im Hinblick auf ein nahendes Mond-Ereignis, nochmal auf Jupiter zu Sprechen kommen, doch ihm schlug die geballte pure Begeisterung von Uwe und mir entgegen: „Ohh, näääääh...“ - „Nagut...“


Bei der Beobachtung und Zeichnung von Arp 34, einem dichten Dreiergrüppchen, zogen noch einmal Wolken hindurch, was auch der Grund ist, weshalb ich diese kaum verwertbare Skizze wieder verwarf – das geht noch besser. Dies waren aber glücklicherweise die letzten Wolken, die uns stören sollten. Die Bedingungen wurden besser und besser und erreichten irgendwann gutes Fläming-Niveau.


NGC 4559 wurde im Atlas mit dem Spitznamen „Koifisch-Galaxie“ betitelt. Meine Eltern haben Kois zuhause im Teich, das verschafft mir also logischerweise einen Vorteil, ha. Naja, nee, nicht wirklich. Im Teleskop zeigte sich eine weitläufige, helle, ovale Fläche, an deren Südost-Ende drei helle Feldsterne hübsch arrangiert waren. Das Zentralgebiet war irgendwie deformiert und spitz; eine kantenartige Struktur begrenzte es nach Norden hin. Das ebenfalls spitz anmutende Südende lag innerhalb der drei Sterne.

Begeistert war ich vom Kugelsternhaufen NGC 4147. Diese kleinen, kompakten Dinger gefallen mir wesentlich besser als die überbewerteten Riesenbommeln ala M 13. Ich freute mich riesig über das ruhige, scharfe Bild bei 600x, das das sehr gute Seeing problemlos zuließ. Der KS zerfiel in etliche Einzelsterne bzw. enge Grüppchen, sogar bis hinein ins Zentralgebiet. Ein tolles Objekt! Hätte ja nie gedacht, dass ich mal ein Kugelhaufen-Fan werden würde. Aber so ist das bei mir immer - erst abseits der zigfach durchgekauten Standardsachen wirds interessant.

Ganz abschreiben konnte ich die Messiers aber nicht, doch dazu gleich mehr. Die Uhr sagte 23:30 an und Norman freute sich über sein Vorankommen bei den Superthins. Der Himmel hatte nun richtig aufgemacht. So superdunkel war es zwar irgendwie nicht, aber dafür war keine Wolke und kein Dunstschleier mehr zu sehen. Kühl wurde es auch so langsam, aber nicht unter 0°C - die Schmelzwasserpfützchen auf dem Weg waren nicht gefroren. Und ich konnte schön in den Laufschuhen beobachten.


Also, zurück zu den Messiers. Ich wagte ein Experiment, über das ich im cloudynights-Forum gestolpert war. Es ging um die Farbwahrnehmung bei Kugelsternhaufen, in diesem Fall explizit M 53, bei dem mehrere Leute eine grünliche Farbe („weird pale green“) wahrgenommen hatten, nachdem sie zuvor längere Zeit bloß auf schwaches Nebelkrams geschaut hatten. Eine optische Täuschung, hervorgerufen durch kurzzeitige Anregung der farbempfindlichen Zapfen durch den helleren KS. Muy interesante! Ich wollte es wissen. Ich machte den Selbstversuch und ging auf M 53. Jo, passt. Ein hübscher KS. Viele Einzelsterne bis ins Zentrum hinein. Umwerfend brillant. Netter als der olle zerlatschte M 13. Und schön grün. Ja! Der schien mir tatsächlich hellgraugrün...! Eine bessere Umschreibung als „weird“ fiel mir in dem Augenblick auch nicht ein, es sah einfach komisch aus, und ob das alles so seine Richtigkeit hatte, wag ich auch zu bezweifeln. Vielleicht bloß Einbildung, weil ich eine grünliche Farbe erwartet hatte. Denn, um es vorweg zu nehmen, zu fortgeschrittener Stunde wiederholte ich den Spaß mit M 3, der ja wesentlich heller ist als sein Kollege in der Coma, und der erschien mir wiederum in jungfräulichem Weiß. Dennoch: In diesem Moment der Beobachtung war ich mir absolut sicher, dass M 53 so ein weirdes green gezeigt hat. Das alles irritierte mich... Meine Augen wollen mich verkohlen.

Naja, zurück zu den Galaxien. NGC 4969-1/2, südlich von M53, ist ein sehr enges Pärchen, zu denen es nicht so viel zu berichten gibt. Die zwei stellaren Kerne waren nahezu gleicher Helligkeit, doch der westliche Partner war größer als der Kollege daneben. Beide waren rund. Und... Ja, das wars schon.


Es war 00:20 Uhr. Norman verkündete nebenan stolz, dass er sich gerade wieder mächtig verlaufen hatte, und von Uwe war nichts weiter zu hören als die geschäftigen Schritte zwischen Teleskop und Kofferraum. Japp, Uwe war vollends im Beobachtungsmodus, es war BEÄNGSTIGEND! Und die Dame in der Mitte des Beobachtungsplatzes nahm sich da ebenfalls nicht viel. Deepskyzombies mit Tunnelblick! Hüüülfe! Nur dass man kein am Boden schlürfendes Geräusch hörte, sondern ein TACKTACKTACK von den Schuhen und metallisches Schlürf-Ratterratter der Leitern und PFLOPP! des Okularwechsels. Ohne dass ich den genauen Zeitpunkt mitbekommen hatte, war am Skihang inzwischen Ruhe eingekehrt. Beim Laufen erst stellte ich fest, dass dort die Lichter erloschen waren und sich nichts mehr bewegte. Irgendwo aus der Ferne rauschte ein Bächlein, irgendwo in der Ferne bellte ein Fuchs - ansonsten Stille.


Im Grenzgebiet Virgo/Bootes/Coma stattete ich einen Besuch beim Galaxien-Trio NGC 5221, 5222-1 und 5230 ab. 5230 stellte nur einen großen, runden, flächenschwachen Wisch dar, während die ovale 5221 am Ostende mit einem angedeuteten Arm aufwartete und 5222 strukturlos, aber hübsch bei einem Sterndreieck stand.

Eine prima Überraschung (und im Nachhinein auch Highlight der Nacht) war NGC 5428, eine Galaxie irgendwo am Rande von Bootes. Wie in den meisten Fällen wusste ich nicht (mehr), was mich da im Okular erwarten würde. Eine ovale Fläche, in der sich ein markanter, breiter, nach Norden gekrümmter Spiralarm heraushob, der in seiner westlichen Galaxienhälfte ziemlich viel Platz einnahm. Zwischen Zentrum und Arm-Ende zeigte sich eine Einkerbung. Auf der anderen Seite ließ sich ebenfalls ein gebogener Arm ausmachen, allerdings etwas schwächer. Ein dankbares Objekt mit toller Spiralstruktur!!

Spiralstruktur war ein gutes Stichwort, und so schwenkte ich auf M 61 im Virgo-Haufen. Ihr charakteristisches Aussehen, die helle Fläche mit den zwei eckig geknickten Armen, war wunderbar, doch ich schätzte, dass 'ne Zeichnung der Galaxie bei besseren Bedingungen lohnender wär. Also ging ich zum nächsten Ziel über. Irgendein UGC-Teil mit der Nummer 8613 und ‘ner Helligkeit von 15 mag. Also nicht so der ausgesprochene Leuchtturm. Außerdem waren noch weitere Nebel verzeichnet, doch ich sah nur „mit Ach und Krach dieses eine Teil“. So ganz schlau werde ich aus diesen Notizen nicht, schau ich mir aber den DSS-Ausschnitt an, ist das auch kein allzu großer Verlust.


Weiterhin in Virgo verbleibend, ging es nun zu dem Duo NGC 5560/5566, zu dem ich mir lediglich „toll!“ notierte. Unterschiedlich gestaltet: Die hellere Galaxie 5566 war rund bzw. leicht oval, mit abgesetztem Zentralgebiet, das sich nach O und W stärker abgrenzte; 5560 zeigte sich länglich (1:4) und in O-W-Richtung liegend. Das flächige, nur mäßig helle Zentrum lief gen Osten allmählich aus und schien an der Westseite etwas schärfer abgeschnitten. Nördlich von 5566 tauchte nach Längerem noch ein ziemlich schwacher, diffuser Wisch auf: NGC 5569. Dadurch verwandelte sich dieses Duo in ein Trio und hört auch auf den Namen Arp 286.

01:15 Uhr war es nun. Norman betonte alle paar Minuten, wie sich der Himmel mittlerweile gemausert hatte („Ist richtig schön jetzt, muss man ma so sagen!“). Recht hatte er. Uwe rief ihn für NGC 4565 herbei, die fette Edge-On mit dem Staubband, und ich joggte mal wieder ein wenig auf der Straße umher. Die Frühlingssternbilder dominierten den Anblick, während Jupiter so allmählich gen Westen abmarschierte und Saturn bald über den Gipfeln aufsteigen sollte. Am Osthorizont, wo die Berge den Blick ins Tal öffneten, schien sich eine dunstige Wolkenschicht zu befinden, doch der Rest des Himmels war klar.

Ein Duo, über das ich mir zunächst nur schriftliche Aufzeichnungen machen wollte, war NGC 5574/6, da es eher langweilig daherkam. Beim Schwenken fiel mir dann aber in nördlicher Richtung die ca. 10' entfernte NGC 5577 auf, die ob ihrer diffusen, langgezogenen Gestalt einen tollen Kontrast darstellte. Tja, und dann zottelte ich doch den Skizzenblock herbei.

Norman, der in der ersten Nachthälfte gut mit seinem Programm vorankam, hatte inzwischen begonnen, unablässlich über eine nicht auftauchen wollende Superthin zu fluchen. Mithilfe seines DSS-Ausdrucks versuchten die zwei Herrschaften, das gesuchte Objekt im 27er einzustellen, was allen Anschein nach (ich lauschte wieder gebannt den Gesprächen) aber nicht so einfach war.


Was die Hickson-Gruppen betrifft, die ich sehr liebgewonnen habe mittlerweile, bin ich nun bestens vorbereitet, und diese Vorbereitungen machten sich schon im ersten Einsatz bezahlt, denn ohne entsprechenden DSS-Ausschnitt hätte ich HCG 69 entweder a) nicht gesehen oder b) mit den beiden nebenstehenden Galaxien IC 4344 und 4345 verwechselt, die sofort ins Auge sprangen. Überhaupt, die Ecke war voller kleiner Nebelchen... Ein hilfreiches Sterntrapez, auf dem Papier so auffällig und markant, zeigte die Position der Gruppe an, war aber im Teleskop gar nicht so leicht erkennbar. Drei Galaxien der Gruppe waren bei genauer Positionskenntnis problemlos zu sehen, wobei einer von ihnen länglicher Gestalt war und sich aus der langen UGC 8842b und der winzigen 8842a zusammensetzte. Bei höherer Vergrößerung trennten sich voneinander kaum.

Ab 02:15 Uhr setzte nebenan Geklapper ein: Uwe packte zusammen und baute ab, da nach eigener Aussage um 6 Uhr wieder der ungnädige Wecker klingeln sollte. Der Ärmste. Trotzdem warf er noch einen Blick durch meinen 16er, als ich auf den PN IC 4593 hielt. Das Teil selber machte jetzt nicht so viel her, doch mir ging es vielmehr um den Farbeindruck. Ein sehr heller, sehr dominanter Zentralstern war umgeben von einer leuchtend grünen Hülle. Das typische Grün eines Filters, so als würde man einen hellen Stern durch einen [OIII] betrachten. Ja, genau, dieser Vergleich passt ganz wunderbar! IC 4593 sah aus wie ein Stern im [OIII].

Die Verabschiedung stand an. „Bis spätestens zum DSM“, sagte Norman. „Naa, bis morgen!“, entgegnete Uwe. Okay, das müssen wir natürlich ernstnehmen... Der silberne Berlingo rauschte davon und ich gääääähnte. Ein längerer Lauf-Ausflug entlang des Weges bis zum ersten Gitterrost brachte den Kreislauf wieder in Schwung. Leider war der restliche Kaffee in der Kanne bereits auf ungenießbares Maß abgekühlt, sodass ich ihn wegkippte. Bäh.


Ich hatte noch ein paar Sachen in UMa übrig, doch ich musste feststellen, dass all dies bereits kopfüber nach Westen wanderte. Mist. Die Alternative stellte die Gruppe NGC 3893/3896 dar; bei χ UMa noch gut zu erreichen. Während 3896 lediglich ein heller, kompakter, rundlicher Ball südlich eines Vordergrundsternchens war, zeigte sich die größere 3898 von ihrer besten Seite. Bei höherer Vergrößerung löste sich die zunächst nur asymmetrisch anmutende Form auf in ein helles Zentralgebiet, von dem nach Süden ein einzelner, schwacher Arm abstand. Insgesamt eine kommaförmige, „zusammengeraupte“ Gestalt, die ich leider nicht gescheit wiedergeben konnte. Im Nordwesten der Galaxie war ein Vordergrundsternchen zu sehen. 15‘ südöstlich dieses Paares stand auch noch NGC 3903, die aber leider nicht mehr aufs Papier passte. Stattdessen jedoch entpuppte sich im Nachhinein ein vermeintlicher Feldstern als die sehr kompakte, stellare Galaxie PGC 36913.

Um noch einmal für den Vortrag investigativ tätig zu werden, schwenkte ich auf M 13. Manch einer soll dort einzelne gelbe Riesensterne erspäht haben, was ich nachprüfen wollte. Musste. Inwiefern das überhaupt möglich war im 16-Zöller, entzieht sich meiner Kenntnis, doch - „Probieren geht über Studieren“! Ich war mir recht sicher, drei gelblich angehauchte Sterne ausmachen zu können. Zwei standen direkt nebeneinander am westlichen Rand des „Propellers“, und ein weiterer schien sich, von dort aus gesehen, auf der anderen Seite (also südöstlich) des „Rotorblattes“ zu befinden. Der nachträgliche Kontrollblick auf ein Foto (es ist nicht leicht, Fotos zu finden, auf denen diese Propellerstruktur ersichtlich ist!) bestätigt den Eindruck. Wahrscheinlich wären, von der Helligkeit her, noch weitere Sterne machbar gewesen, doch die drei beschriebenen stachen mir besonders hervor.


Herkules! Einen hab ich noch. Über Vyssotski 1-2 las ich eine Beobachtung von Daniel Restemeier, der den PN in einem blauen Farbton wahrgenommen hatte. Das musste ich nachprüfen. Die kleine Scheibe war überraschend einfach aufzufinden; winzig, aber hell. Nein, keine Farbe für mich. Hätte ich raten müssen, hätte ich auch auf ein fades Blau getippt, aber das wäre wohl ein ähnlicher Effekt gewesen, wie ich ihn zuvor bei M 53 beschrieben hatte.


„Oh je, ich bin alle“, verkündete ich wahrheitsgemäß. Norman erklärte sich rücksichtsvoll und protestlos bereit, ebenfalls langsam aber sicher die Segel zu streichen, und überlegte sich einen Rausschmeißer, um der Nacht ein anständiges Ende zu verpassen: „M 51, hähä!“ - „Oh nee, die hatteste doch aufm Rossfeld schon als Endobjekt. Such dir ma was Anderes.“ Mein eigenes Finale bestritt ich mit M 57, der sich, bedingt durch die große Öffnung, mittlerweile zu einem meiner Lieblingsobjekte gemausert hat. Spätestens seit meiner ersten Zentralsternsichtung vor anderthalb Jahren... Und der war auch diesmal problemlos machbar. Am Anfang zunächst weigerte er sich noch, aufzutauchen; blinzelte dann ein paar Mal verschlafen durch den großen, gähnenden, dunklen Schlund hindurch, und schlussendlich blieb er schwach, aber durchgängig, sicher auf der Netzhaut kleben. Guten Mooooorgen! Ach ja, und der Farbeindruck natürlich: Leuchtendes Türkis. Norman fragte, ob ich auf La Palma auch Farbe gesehen hatte. „Ja, türkis. M 57 ist für mich immer türkis, auch im 10er damals.“ Ihm war dergleichen nie bewusst geworden, doch als er nun einen Blick auf den PN warf, erschien ihm die Farbe ebenfalls. „Hmm... Also jetzt, wo du's sagst...“


Es war kurz nach halb 4, als ich mit dem Abbau startete und all mein Zeug zusammenkramte. Norman schaute sich nun doch noch den Whirlpool an: „Ach, schööön...“ – „M 51?!“ – „Mmhm.“ – „Du kannst es nich lassen, ne?“ – „Nö!“ Der Himmel war zwar richtig gut, doch da er spätestens Mittag wieder bei der Arbeit antanzen musste, war es vernünftiger, die Session für beendet zu erklären. Saturn stand wunderschön im Schwanz des Skorpion arrangiert, führte den Bogen nach Osten hin fort und konkurrierte mit Antares um den Titel „schönster Blickfang des Sternbildes“. Immer höher wanderte das Sommerdreieck, durch das das wolkige Band der Milchstraße verlief, während der Frühling sich anschickte, von der Bühne zu verschwinden. Ich freute mich darauf, das Autoradio bald anstellen zu können, in der Hoffnung, mein beknackter Ohrwurm, der mich während der kompletten Nacht beinah um den Verstand brachte, würde sich dann endlich aus meinen Kopf scheren... Gegen 04:15 rauschte dann auch der kotzgelbe Berlingo von dannen und rollte die Straße locker-flockig hinunter.

 

 

Ein Beobachtungsbericht von AKE

München, 20.03.2015

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