15./16.08.2012 - Galaxienfischen im Walfisch

Am darauffolgenden Tag waren wir noch unentschlossener, ob wir die Fahrt hinauf in Angriff nehmen konnten. Die Bewölkung im Tal konnte sich nicht ganz entscheiden, was sie tun wollte, weswegen wir lange berieten. Obwohl Thomas‘ Skepsis uns fast unten blieben ließ („Na, ich weiß nicht, Leute. Ob sich das lohnt?“), siegte der Optimismus letztlich doch… Gott sei Dank!


Diesmal postierten wir uns auf dem Rettenbach. Es war bereits 22:00 Uhr und trotzdem noch angenehme 12°C ohne Wind. Das Wichtigste jedoch: Klarer Himmel! Bis auf wenige Wölkchen war die Sicht frei und in der Restdämmerung zeigte sich schon die Milchstraße. Vom fernen Berghang hörte man es oft poltern und rumpeln, als sich Mini-Steinlawinen loslösten und den Hang runterkullerten. Diesmal waren wir zu viert und dankenswerterweise half Thomas mir wieder beim Aufbau seines 14-Zöllers. Als die Schrauben der Höhenräder mal wieder klemmten, hatte ich keine Lust mehr gehabt…


Anfangs kam auch überhaupt keine rechte Motivation bei mir auf. Ich hatte keine Objektliste parat und blätterte zunächst völlig planlos im Atlas umher. Die Zeit verging. Ich entschied mich für den Kohlenstoffstern RY Cygni, der beim Offenen Haufen NGC 6883 stand, mitten in der chaotischen Cygnus-Wolke. Ich hatte meine liebe Mühe, die Gegend überhaupt zu finden. Weder dieser Haufen, noch der Carbonstern waren auf den ersten Blick erkennbar. Nach laaaangem Rumrühren entdeckte ich ihn eher zufällig. Sehr schwach und unscheinbar, fast schon dunkel. So ein ekelhaftes, fieses Ding! Ich war fassungslos. Die Farbe war ein tiefes, „matschiges“ Braunrot, das bei höheren Vergrößerungen besser zur Geltung kam. Dennoch ging der Carbonstern in dem reichen, farblosen Feld unter. Er befand sich nahe einem markanten, engen Doppelstern.


Meine Laune wurde durch diesen Fund nicht besser und ich brauchte leichte Kost, um in die Gänge zu kommen. Der Adler stand gut und ich entschied mich für NGC 6781, den schönen PN, der auch im Zehnzöller super zur Geltung kam. Endlich mal ein Erfolg! Eine runde Scheibe, die im Süden gut begrenzt, im Norden hingegen diffus auslaufend war. Anblick im 20er und OIII: Schöner Kreis mit dunklem Innenteil – so ähnlich wie mit 10“. Keine neuen Erkenntnisse.


Gegen 00:45 Uhr machte ich eine Kaffeepause. Gutes Seeing. Ich hatte die Walfisch-Karte aufgeschlagen und entdeckte dort NGC 50 eher zufällig. In der Nähe von iota Ceti gelegen, präsentierte sich im 32er ein überraschend großer und auffälliger Nebel; etwas oval (1:1,5) und mit stellarem Kern. Ein Vordergrundstern tauchte bei 80-fach am Südwest-Rand auf und ebenso zwei weitere am Nordwest-Rand. Runde Form. Der Kern ertrank fast. Nach Nord und Süd schien die Galaxie „ohrenförmig“ verlängert. Im 15er-Okular wirkte NGC 50 durch die nahen schwachen Vordergrundsterne wie ein unaufgelöster Offener Haufen. Fließende Übergänge, keine Details.


Mein eigentliches Ziel auf der Kartenseite war NGC 157, die einfach aufzufinden war. In der Übersicht war sie bereits ein markantes Objekt ohne Kern und mit nahezu einheitlicher Helligkeit. Sie schien etwas schärfer begrenzt und abrupt zu sein. Oval, 1:2. Keine Details. Im 20er zeigte sich ein Sternchen am Ostende. Und ein schönes Detail: Ein zarter, weitläufiger Knick im Nordwesten, sodass eine Art Einbuchtung bzw. schärfere Kante im Südosten andeutete. Kein auffälliger Zentralbereich.


Weiter östlich stand NGC 357, die sich recht schwach, aber eindeutig darbot. Ein nur mäßig helles Zentrum in einem diffusen, zart auslaufenden, rundlichen Nebel. Im 20er zeigten sich ein flächiger und deutlich länglicher Innenbereich und ein östlich davon befindlicher Nachbarstern.


01:30 Uhr! Jupiter schwebte über dem Horizont und der Himmel war schön klar. Außerdem angenehm milde Temperaturen… Das hatte ich schon anders erlebt dort oben. Endlich hatte ich meine Motivation wiedererlangt und kam in Fahrt, weil nun der Walfisch mit all seinen netten Galaxien, die ich mir herausgesucht hatte, hoch genug stand.


Direkt neben NGC 357 war die Galaxie New 1 zu bestaunen, die sich als kleine Wundertüte offenbarte. Sie war noch schwächer als ihre Nachbarin, trotzdem eindeutig. Eine strukturlose, fade Wolke, die immer wieder im Hintergrund verschwand und am besten bei Bewegung des Teleskopes zutage trat. Schwer zu halten. Kein Zentrum oder Kern, einheitliche Helligkeit, diffus auslaufend. Im 20er ebenfalls schwer, aber erstaunlich: Wenn man sie sah, schien sie sehr groß; weit ausgedehnter als NGC 357. Leicht oval. Der Eindruck bestätigt sich, wenn man diese Aufnahme vom POSS zurate zieht.


NGC 779, die sich ebenfalls im Walfisch befand (wo auch sonst…), war gut zu finden und leicht sichtbar. Auffallend länglich und N-S-ausgerichtet. Im 20er zeigte sich ein toller Lichtdolch, dessen Südwest-Spitze länger wirkte. Im hellen, kastenförmigen Zentralbereich saß ein stellarer Kern. Die Galaxie zeigte ein Achsenverhältnis von 1:4,5. Gleicher Eindruck bei 107-fach: Eine schöne Edge-On!


Südöstlich davon war die schwache, aber problemlose NGC 788, die mich vor ein Rätsel stellte: „Form länglich?, oder doch eher rund?“ Im 20er entschied ich mich für „wohl eher rund“. Das Zentrum stach heraus. Der Kern zeigte sich punktförmig und schwach, doch die Peripherie grenzte sich recht gut vom Hintergrund ab. Die Galaxie war kompakt, detaillos und schien von etwas „Größerem“ umgeben, aber dessen war ich mir nicht sicher.


Ein nettes Galaxientriplett gibt’s südwestlich von delta Ceti zu sehen. Den westlichen Endpunkt bildet NGC 936, die im 26er zusammen mit NGC 941 sichtbar war, aber viel dominanter und heller daherkam. Schön rund mit einem markanten Zentralbereich. Bei 80-facher Vergrößerung erschien die Form ganz schwach oval. Ein sehr helles, flächiges Zentrum, aus dem der Kern nur schwer herauszutrennen ist.


Die Nachbarin NGC 941 zeigte sich als schwache Wolke ohne Strukturen und klare Konturen. Rund? Bei indirektem Sehen nur mit Mühe mehrere Sekunden durchgängig zu halten. Dabei schien sich nur einmal eine „richtige“ Zentralregion herauszulösen.


Die dritte Galaxie in dieser kleinen Kette hieß NGC 955 und präsentierte sich als ziemlich klein und langgestreckt und SW-NO-ausgerichtet. Bei 80-fach geizte sie mit Details. Sehr spitze Enden, definierte Konturen und scharfe Begrenzungen, aber leider „winzig“. Im 15er ließ sich das Achsenverhältnis auf 1:5 bestimmen und ein Nukleus blitzte hervor.


Um 02:45 Uhr herrschten „super Bedingungen“ und ich lief zwei, drei Kehren vom Parkplatz herunter. Wieder milde Temperaturen um die 12°C. Was ist los? Sind hier die Tropennächte ausgebrochen? Von oben sah man das Licht des Restaurants nicht, das sich an der Zweigstelle befand; aber ich war überrascht, dass dessen Streulicht nur wenige Meter darunter so extrem auffiel.


Als ich zurückkehrte, beauftragte mich Uwe W. mit der Suche nach den Kometen Petriew, der in den Zwillingen unterwegs war, die nun hoch genug am Osthimmel standen. Irgendwo bei my Geminorum rührte ich herum und hielt nach einem Wölkchen Ausschau, blieb allerdings erfolglos. Auf dem Bild, was er letzte Nacht machen konnte, schien der Komet auffällig und hell. Mit dem Dobson aber leider nicht machbar. Schade!


Aus dem Norden und Westen zogen nun jedoch die ersten Wolken rein, die schon bald einen Großteil des Firmaments bedeckt hatten. Martin machte uns alle verrückt, als er vermeldete, dass es nach Regen roch. Oh je, schnell einpacken! Es regnete zwar nicht und die Decke riss gegen halb 4 wieder auf, aber ich war eh schon müde und beließ es bei dieser Ausbeute. Leider war auch diesmal Merkur nicht zu sehen, aber fürs Wochenende hatte sich gutes Wetter angekündigt, wo wir hoffentlich noch die Gelegenheit bekommen, eine klare Morgendämmerung zu erleben.



Ein Beobachtungsbericht von AKE

Schönebeck, 24.08.2012

Share by: