31.08./01.09.2016 – Diese Sache mit der Standortwahl…

Astro oder Laufen? Astro oder Laufen??! ASTRO oder LAUFEN??!?! Es war die grundlegendste Frage. Die Frage aller Fragen. Die absolut elementarste Basisproblematik, der ich mich überhaupt jemals stellen konnte. Es ging nicht nur um meine Abendgestaltung – nein, es ging um viel mehr. Es ging ums Prinzip. Mit Blick auf die Wetterprognosen für den Mittwochabend konnte ich nicht anders, als zu jammern. „Ich will mein Leben zurück!“ Beobachten fahren ist ja schön und gut, aber 9 Nächte in einem Monat wären schon Hammer, v.a. nach der langen Pause zuvor. Von 0 auf 100. Wenn man Ferien hat, kann man mal die Sau rauslassen, es hilft ja nix…


Kaum hatte ich mich entschlossen und einen hübschen Plan für Abend, Nacht und Morgen zusammengestrickt, vertrödelte ich auch keine weitere Zeit und war schon gleich auf dem Weg in den Westen. Die Berge wirkten diesmal ein wenig eingetrübt und am Horizont kochten irgendwelche Wolken herum. Das würde zur Prognose passen, die einen Wolkenbatzen voraussagte, der sich am Harz so komisch festbiss. Eigentlich war das also der absolut falscheste Platz, den man ansteuern konnte, aber ich wollte einfach dort hin, also fuhr ich auch dorthin. Das Wetter hat sich gefälligst nach mir zu richten, nicht umgekehrt.

Das Ziel lautete diesmal nicht der Sonnenberg, sondern Oderbrück auf 790m Höhe. Zunächst mal für Erkundungen in der Dämmerung. Dort, wo 2010 dieser Gasthof abgebrannt war, befindet sich, laut Luftbild, eine attraktive Freifläche. Aktuell ist das Areal aber belegt von mehreren Sand- und Materialhaufen und sieht nicht sehr „parkwürdig“ aus. Man hätte schon drauffahren können, aber nur mit schlechtem Gewissen und ohne gesetzliche Absegnung. Auch der Parkplatz direkt bei den Häusern Oderbrücks war nicht ideal, ebenso wenig wie der Großparkplatz 80m südlich, wo ich angehalten hatte. Problem war, dass man um den Straßenverkehr nicht drumrum kommt. Wäre man intelligent, wäre man wieder zum Sonnenberg gefahren, aber ich war nicht intelligent. Ich wollte hierbleiben und mal was Neues ausprobieren. Ma watt annert. Optimierungen bei der Standortwahl waren nur eingeschränkt möglich; ich setzte das Auto zum Nordende zurück und parkte schräg, sodass eine Barriere zum Verkehr aus Südwesten gebildet wurde. Und die Kollegen, die aus Norden kommen, müssen erst um eine Kurve rum, sodass sich die Leuchtwirkung in Grenzen halten sollte. Das war so mein Gedanke, der sich in der Praxis später natürlich überhaupt nicht bewährt hatte.

Während ich aufbaute und die Dämmerung ihren Lauf nahm, bereute ich mit jeder Minute mehr und mehr, dass ich Volltrottel mich hier hingestellt hatte. Die Straße war übel frequentiert. Bei einem großen Motorradkorso dachte ich fast, dass gleich ein gigantischer Schwerlasttransport um die Ecke kommt. Der Bus nach Braunlage fuhr sehr regelmäßig vorbei. Zig Millionen PKW – je dunkler, desto fernlichtiger. Ich verkrümelte mich immer ins Auto und erledigte „Organisatorisches“, verfluchte parallel aber meine irrationale Blödheit. Trotzdem: Am Südende des Parkplatzes stand ein LKW einsam und verlassen. In der Nähe waren Ferienhäuser und Skihütten. Menschen fuhren vorbei. Es war ein gutes Gefühl, nicht komplett abgeschieden und abgekapselt in der Finsternis zu stehen. Oderbrück ist ein absoluter Scheiß-Standort und kein normaler Hobbyastro, der halbwegs klar bei Verstand ist, würde sich freiwillig in Oderbrück hinstellen – aber dort fühlte ich mich mit Abstand am ruhigsten.



Bedingungen? 16°C bei der Ankunft, die rasch abfielen. Der Himmel war klar, noch, und das anfangs schlechte Seeing besserte sich im Laufe der Stunden deutlich, aber noch weit von „gut“ entfernt. Ein dezenter Duft von würziger Minze lag in der Luft. Aus Richtung Oderbrück war während des Abends lautes Stimmgewirr zu hören, vornehmend von jungen Mädels. Vielleicht irgendein Geburtstag oder Ferienlager. Die Kinder juchzten und johlten und lachten; machten das Geheul von Werwölfen nach und schienen sichtlich Spaß zu haben. Ich fand das ganz nett, aber nur, solange die nicht noch ‘ne Nachtwanderung machen und rüberkommen. Nur während verkehrsarmer Phasen waren sie zu hören; ebenso wie ein Bächlein, was nördlich irgendwo rauschte.

Bei dem Verkehr brauchte ich mich nicht an irgendwelche schwachen Funzeln machen, das stand fest. Es ging zu NGC 6743, einem offenen Haufen in der Leier, der sich rings um einen helleren Stern verteilte, aber nicht sonderlich spektakulär daherkam. Anschließend der Schwenk zu NGC 6713. Die Galaxie stand schon länger auf der Liste, und ich hatte keine Lust mehr, dauernd den Klebepfeil im Atlas sehen zu müssen. Das Objekt gab ebenfalls nicht viel her – nicht mehr als ein winziges, schwaches Büschel. Die Situation hatte enormes Frustpotential und ich klammerte mich an den Gedanken, dass sich der Verkehr schon noch legt. Ich kannte die Straße ja – bei den Rückfahrten nachts ist da absolut gar nix los und Wüstenbüsche rollen über den Asphalt. Ich tröstete mich mit was Schönem und blieb da auch ein Weilchen dran kleben – M 56. Ich dachte an den Laevens 3 vom Vortag – großartiger Kontrast. Das nennst du einen Kugelsternhaufen? DAS ist ein Kugelsternhaufen!!

Allmählich wurde es tatsächlich ruhiger und ich konnte ein paar Fotos machen, ohne ständig fette Scheinwerfer aufnehmen zu müssen. Parallel tranken mein Beschützer-Bärli und ich ‘nen Schluck vom stärksten Kaffee seit Menschengedenken, denn ich war bereits gut angemüdet. Die Teenies in Oderbrück amüsierten sich lautstark. Am Nachmittag hatte ich noch auf die Schnelle irgendwelche Objekte recherchiert, die zu besuchen sich löhnten, und eins davon war NGC 7448 im Pegasus. Die Galaxie war recht kräftig und eigenartig asymmetrisch. Insgesamt eine ovale Form, doch das helle Zentrum schien ein Stück nach Norden versetzt. Den auffälligen Knoten am Nordende sah ich nicht isoliert; er blieb mit dem Inneren verbunden.

Der Himmel war deutlich schlechter als auf dem Sonnenberg. Eine Grenzgröße von 6,3 – 6,4 mag. Aber inwieweit das mit der Wetterlage zusammenhing, wäre abzuklären, denn immer wieder rutschten dunkelgraue Wolken und Wolkenfetzen durch. Mir schien, als wäre partiell auch irgendeine Schleierbewölkung unterwegs, die den Anblick massiv trübten. Die Milchstraße blieb eher blass und reichte nicht so tief in den Horizont hinein, wie ich es sonst inzwischen kannte. Naja, wurscht.


Die Pegasus-Tour führte mich zu NGC 7523/5, die nicht ganz so easy waren. An betreffender Stelle fielen mir zunächst nur 2 markante, enge Feldsterne auf, doch südlich daran dockte etwas Schwaches, Längliches an – 7523. Etwas weiter nordöstlich tauchte ein ebenfalls schwaches Nebelknäuel auf, das wäre dann also NGC 7525. Alles blieb ohne Details und echt fade.


Über weite Strecken war die Straße nun leer und es fing langsam an, ein wenig Spaß zu machen. Gleich in der Nähe befindet sich das Duo NGC 7559/63 – auch nicht so der Überreißer, aber schon besser. 63 ist eine runde, helle Kuller, die sich nach längerer Beobachtung in dezenter Balkenform präsentierte. 59 war ebenfalls rundlich, aber deutlich schwächer und diffuser auslaufend.

Es wurde ziemlich kühl und ich zog mir die gute warme Fleecehose an. Ahhh, schon viel besser. Gute Voraussetzungen für NGC 7316, die kinderleicht aufzufinden war, weil sie direkt bei einem großen markanten Sternmuster rumhing. Der Stern südlich jedoch war so hell, dass er den Anblicke irritierte. Zunächst nur eine kleine, runde, aber sehr helle Fläche; bei höherer Vergrößerung wirkte die Galaxie dann beinahe PN-artig. Ein helles Zentralgebiet und mit kräftigeren Außenkanten östlich und westlich. Schönes Ding.

Zum ersten Mal seit einer gefühlten halben Ewigkeit fuhr wieder ein PKW vorbei. Es ist still und ruhig in der Umgebung; auch die Kinderfeier in Oderbrück war zuende. Das Lichtlein, was zuvor noch schwach zwischen den Bäumen rausblinkte, war erloschen. Lediglich fernes Hirschgeröhre ertönte für kurze Zeit mal irgendwo aus Nordrichtung; es klang sogar näher als am Sonnenberg. Wo genau die Jungs sich wohl rumtreiben? Lautes Knallen von dort war ebenfalls zu vernehmen und ich fragte mich, ob die sich grad prügeln, aber möglich wären natürlich auch Gewehrschüsse von irgendeinem Jager. Ich gönnte mir einen Mitternachtskaffee, schickte kurze Lagemeldungen an die Daheimgebliebenen nach München, stieß dabei gegen das blöde Stativ und schaute in das große, seelenlose Auge der Kamera, die nach oben gerichtet war. Die Linse war leicht beschlagen – es wurde ein bisschen feuchter. Auch die Autoscheiben schienen belegt, aber eventuell war das einfach nur Dreck.


So ‘nen richtigen Kracher hatte ich bisher irgendwie noch nicht gehabt, und daran sollte sich auch nichts weiter ändern. NGC 7323 war nicht sonderlich spektakulär – ein rundlicher, diffuser Wisch. Bei ihrer Nachbarin, 7324, hatte ich gehofft, dieses hübsche Viereck aus schwachen Sternchen zu sehen, das sie exakt einrahmte. Leider nicht – bloß die beiden östlichen Ecken zeigten sich. NGC 7324 selber blieb ein winziger, kompakter Kloß.

Ich suchte nach IC 1420, die ich nicht entdeckt habe. Ob nicht gesehen oder nicht gefunden, lässt sich schwer sagen – die Ecke hat eigentlich schon gepasst. Anschließend war ich in die Suche von Palomar 13 vertieft, bis das Sternfeld ausdimmte und verschwand. Als ich mich aufrichtete und umdrehte, fuhr mir ein regelrechter Schreck in die Knochen, als ich sah, dass der Südwest- und Westhimmel komplett in Wolken eingepackt war; Tendenz ausbreitend. Eine Mega-Wand. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet, obwohl es ja, den Prognosen nach, durchaus zu erwarten war. Aber wer kann denn schon ahnen, dass die ihre Vorhersagen ernstmeinen? Es war halb 1 durch und mein Verfallsdatum für diesen Tag eigentlich schon dreifach überschritten. Mir hing die Müdigkeit überall im Körper und ich merkte, dass die Koordination bereits etwas schwerer fiel. Das Stativ und meine Füße werden wohl keine Freunde mehr. Bärli und ich machten nochmal Kaffeeklatsch, während der Wolkenteppich über uns hinwegzog. Im Westen, wo die Milchstraße parallel zum Wald herunterlief, waren aber schon wieder Sterne zu sehen. Kann also gleich weitergehen.

Und zwar versuchte ich mich nochmal an Palomar 13. Der Kugelsternhaufen war ‘ne ziemliche Diva. Glücklicherweise hatte sich im Laufe der Nacht die Transparenz gebessert (wenn nicht gerade Wolken unterwegs waren) und in Braunlage müssen Lichter ausgegangen sein – der Südhorizont war merklich dunkler. Sonst wäre das mit Pal 13 ein Schuss in den Ofen geworden. Westlich eines Sternes würgte sich eine schwache und recht kleine, homogene Fläche heraus. Was für ein Waschlappen. An Einzelsterne war nicht zu denken. Lediglich direkt nördlich ansetzend blinkte was Stellares hervor, aber das dürfte nur ein Vordergrundstern gewesen sein, mit dem der Kugelhaufen verschmolzen blieb. Naja, geht besser, aber gesehen ist gesehen.

Gerade noch rechtzeitig geschafft, denn die nächste Wolkenwand rückte unaufhörlich und gnadenlos aus Westen herein. Eine richtig dicke Suppe. Wo noch kleine Löchlein waren, schimmerte die Milchstraße dünn durch, aber nichts, was einem Hoffnung machen würde. Es knallte wieder; diesmal aus Südosten. Ich stand ein bisschen ratlos neben dem Auto und war mit dieser Situation überfordert. Die letzten freien Stellen des Himmels wurden mit der Kamera dokumentiert, weil mir nichts Gescheiteres einfiel. Die Plejaden waren bereits aufgegangen und schwebten über den Wipfeln der Tannen, ehe auch ihnen das Licht ausging. Blick auf die Uhr: Erst um Einse! So eine Scheiße.

Meine unkoordinierten Bewegungen erinnerten mich daran, wie müde ich war. Da es auch nicht nach Besserung aussah, beschloss ich, meine Gerätschaft abzubrechen. Schade! Denn ich fühlte mich an dem Ort eigentlich sehr wohl, ohne jegliches Unbehagen. Am Sonnenberg hätte ich wohl wieder mit dem Waschbären Fangen spielen können. Aber was soll man machen. Nach und nach wanderten das Teleskop und der ganze andere dämliche Polter ins Auto, und ich ganz zum Schluss ebenfalls. Goodbye, Parkplatz Oderbrück, vielleicht sehen wir uns ja mal wieder in einer fernen zweiten Nachthälfte.



Ich habe die eigenartige Gabe, an jedem möglichen und unmöglichen Ort schlafen zu können. Überall, außer in meinem Bett. Dies ist natürlich ein riesengroßer Pluspunkt bei diversen Outdoor-Aktionen, und ich wollte mein Talent auch diesmal wieder unter Beweis stellen. Der Wagen wurde umquartiert auf den Parkplatz bei den Häusern in knapp 100m Entfernung, weil der ein wenig mehr Zivilisation versprühte. Durch Bemühung des Autoschlüssels verbarrikadierte ich mich im Wagen, in meiner Festung, und machte es mir gegen halb 2 auf dem Fahrersitz gemütlich. Eingeringelt und zusammengekauert lag ich dort, vergraben unter Schlafsack und Decke. Nur noch die Mütze guckte raus. Dank Norman, der sich selber grade zum Heiamachen verabschiedet hatte, konnte ich noch in Erfahrung bringen, wann genau die Sonne aufgehen würde – halb 7. Und so schlummerte ich auf dem Fahrersitz ein, ausnahmsweise mal ohne laufenden Motor. Ähem.


Gegen Dreiviertel 4 wachte ich kurz auf und drehte mich, umständlich wie ein Schwerlasttransport beim Wenden in der Sackgasse, auf die andere Seite. Milchige Sterne schienen träge durch die beschlagenen Fenster hinein… und ich dämmerte wieder weg in der wohligen Wärme dieser lauschigen Deckenhöhle… Dann träumte ich einen Käse. Eine verquere Version meiner Harzexkursionen, wo ich bei der Rückfahrt nachts immer in der Sparkasse Braunlage anhalte, um dort auf die Toilette zu gehen. Später stand ich mit meinem Teleskop (1m Öffnung) in Oderbrück beim Beobachten, als ein Pärchen vorbeischneite und mein Gerät angrabbelte. Das wollte ich natürlich nicht und wies den Typen böse zurecht. „Das ist ja alles nass!“, sagte er und wischte mit der flachen Hand über den Spiegel, was mich zum Explodieren brachte. Ich griff meinen Regenschirm und prügelte auf ihn ein.


„Boah, ich kann meinen Atem sehen!“ – „Ja, ist echt alles total feucht hier, die Luft. Alles nass.“ Ich öffnete die Augen. Ein unruhiger Lichtkegel tanzte im dunklen Wagen herum. Jetzt ist es also soweit – Räuber stehen neben meinem Auto, leuchten mit ihren Räubertaschenlampen hinein, um zu sehen, was es zu rauben gibt, und wollen dann die Scheiben mit ihrem Räuberwerkzeug einschlagen. Ich rührte mich nicht. Verdammt, der Regenschirm lag unerreichbar hinterm Beifahrersitz – der Traum war ja fast ein Omen. Das Licht tanzte immer noch unruhig umher. Ich drehte den Kopf ein wenig und schaute, was da los war. Ein zweiter PKW stand nebenan, und dessen Insassen, zwei Männer, machten grad ihre Mountainbikes startklar. Einer davon mit Hirnbirn, die mit jeder seiner Kopfbewegungen mittanzte. Grundgütiger, wie spät ist denn das?! Dreiviertel 5 – Leute, ich hätte noch ‘ne halbe Stunde pennen können! „Ey, da liegt ja eine drin und schläft.“ – „‘N Mädchen?... Krass.“ Ja. Da guckt ihr doof. Und nu zieht endlich Leine.

Die beiden wurden merklich leiser nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis und waren bald ins Dunkle verschwunden. Ich regte mich immer noch nicht. Unter dem flauschigen Deckengewühl war es so angenehm warm, erstaunlicherweise, und sogar recht bequem. Ich wollte nicht in die Kälte. Draußen warens 9°C, und da fang ich dann an, jämmerlich zu frieren. Aber hilft ja nix. Griff zur Kaffeekanne – Wahnsinn, das Zeug war ja noch nicht ganz kalt, sondern fast noch lau. Aber zu mehr als einem angeekelten Schluck war ich nicht fähig. Durch die triefend nassen Scheiben war ein überwiegend klarer Morgenhimmel zu sehen; eine blasse Dämmerung hatte bereits leicht eingesetzt. Ich entsperrte mich, öffnete die Tür und kletterte ins Freie, wo es gar nicht so eisig war, wie befürchtet. Der schöne Orion bei den Fichten und die restlichen Wintersterne waren mal wieder ein Foto wert. Leider waberten noch immer schnelllebige Wolken durch die Luft. Ich untersuchte beim Umherstreunen auch die Fläche, auf der das abgebrannte Gasthaus stand; die Fundamente im Boden waren noch sichtbar. Komisches Gefühl, das so zu sehen.

Es wurde immer heller und ich ordnete und kleidete mich für den kleinen Spaziergang, den ich am Vorabend ausgetüftelt hatte. Mit leichtem Gepäck brach ich gegen 05:45 Uhr auf. Der Weg zur Achtermannshöhe (925m) war ausgeschildert und führte zunächst über die „Hauptstraße“ Oderbrücks, die die Zuwegung zu den Ferien- und Skihütten darstellt. Trotz der Dunkelheit im Wald war die Umgebung gut zu erkennen, was aufgrund der Unwegsamkeit auch notwendig war. Ein typischer Harz-Pfad mit Wurzeln, Nadeln und Steinen; dazu ein herrlich frischer Duft, den der frühe, neue Morgen mit sich brachte. Ich war mutterseelenallein hier. Klar, es ist Donnerstag, aber ich hatte zumindest mit irgendeinem rüstigen Rentner gerechnet, der als lokale Berühmtheit verschrien war, weil er seit 54 Jahren jeden Morgen auf die Achtermannshöhe hochlatschert. Oder irgendwie sowas. Der Achtermannsbenno! Aber – nada. Ich hatte meine Ruhe und spazierte die 2,4 km selig herauf.

Die Achtermannshöhe ist wie eine Insel im Meer: Inmitten des dichten Fichtenforstes erhebt sich dieser felsige, zerklüftete, kuppelartige Gipfel. Passenderweise ging mir David Gilmours „Castellorizon“ im Ohr herum. Es führte ein schöner und gut herausgearbeiteter, steiler Steig die letzten 30m hinauf, bis man oben angelangt ist. „Boah, scheiße“, war das erste und einzige, was mir bei diesem grandiosen Panorama einfiel, als ich gegen halb 7 oben ankam. Brocken und der Wurmberg, ohne seinen Schanzenturm, dominierten die Ostseite. Im Norden stachen Torfhausens Sendemaste senkrecht in den Himmel. Was sich im Süden und Westen anschloss, weiß ich nicht so genau, aber es waren sanfte, bewaldete Bergketten, die nach hinten hin immer flacher wurden. Mittels der guten alten Wanderkarte „Nationalpark Harz“ versuchte ich, Ordnung in meine geografischen Kenntnisse zu bringen. Der Herbst lag deutlich überm Lande – viele braune Büschel waren zwischen den immergrünen Nadelbäumen erkennbar. Im goldenen Oktober muss das richtig toll aussehen. Eine Überlandleitung hangelte sich durch die ausgedehnten Waldgebiete. Ein kühler Wind ging, und ich konnte es nicht fassen, dass ich diese Aussicht wieder ganz für mich allein hatte. Leider aber waren viele Wolken unterwegs und mit dem Sonnenaufgang würde es wohl schwierig werden.

Tatsächlich sah ich die Sonne noch, aber nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das müssen wir wohl noch ein bisschen üben. Erst später brach sie mehr durch die Wolken hindurch, aber da befand ich mich schon wieder auf dem Rückweg. Es war fast 07:00 Uhr. Gern wär ich noch länger oben geblieben, aber die Heimfahrt musste ja auch noch bewältigt werden. Ich wanderte durch den sanft abfallenden Märchenwald zurück. Schlafmützige Vögel flatterten durch Gebüsch und Geäst und ein einzelnes Hörnchen huschte in der Ferne über den Boden. Viel zu früh drang leider auch der Lärm des Straßenverkehrs an meine Ohren, als Oderbrück näherrückte.


Und so hieß es dann wieder, Abschied zu nehmen. Die Nacht war durchwachsen und nur halbgar, aber die kleine Wanderung dafür umso schöner. Früh am Morgen allein auf dem Berg stehen und sich den frischen Wind um das Gesicht streichen lassen – allein dafür hat sich der Ausflug gelohnt. Auch wenn ich nach der Ankunft in Bernburg wirklich krötenbreit war – man kehrt doch irgendwie verändert wieder nach Hause und kann von solchen tollen Aktionen eine Weile zehren. Ich werde mich jedenfalls noch lange daran zurückerinnern.



Beobachtungs- und Wanderbericht von AKE

Bernburg, 02.09.2016

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