14.01.2012 - Zuhause ist es doch am schönsten! - Oder auch nicht

Da die Wettervorhersage einen klaren Himmel versprach, entschloss ich mich zu einem Beobachtungsabend wie zu "guten alten Zeiten". Gegen 19 Uhr schmiss ich mein ganzes Gerödel in den Ford und fuhr die 200m auf den Platz hinter unserer Fahrzeughalle, wo der Großteil der Laternen ringsum abgeschirmt wurde. Besonders hilfreich war dabei ein gigantischer Container im Süden, den der prächtige Orion gerade hinaufstieg. Es war absolut klar und windstill. Jupiter, ungewohnt hochstehend, wanderte stracks auf das Hallendach zu und Sirius tauchte matt am Horizont auf. Die Lampen vom Edeka-Parkplatz waren noch an und bildeten die einzigen direkten Lichtquellen in der Umgebung.


Es waren nur 2°C und ich konnte meine neuen Polarschuhe einweihen, die neulich geliefert wurden. Sehr klobig und schwer mit dicker Sohle, doch sie hielten meine Beine warm. Nachdem ich aufgebaut hatte, telefonierte ich kurz mit Uwe und schwärmte von den Bedingungen, musste allerdings feststellen, dass das Equipment mal wieder aufpoliert werden müsste: Auf dem Spiegel sind seltsame dicke Schlieren, die Rockerbox ist staubig und fällt fast auseinander, die Sucherhalterung braucht dringend neue Schrauben und wo zum Teufel ist mein 9mm-Okular?!


Egal. Ich visierte zunächst Jupiter an und erkannte schon mit dem 32er-Aufsuchokular dicke Streifen und drei Monde. Höhere Vergrößerungen brachte eine schöne Detailfülle zutage, die bei längerem Hinsehen deutlicher wurde. Dominant waren zwei Bänder: Das breitere auf der südlichen Hemisphäre und ein etwas dünneres am Äquator. Ein Stück nördlich davon schloss sich ein dünneres Bändchen an, welches in Westrichtung einen dunklen Akzent aufwies. Südlich des dominanten Streifens befand sich ein weiteres Band, etwa ebenso breit, jedoch heller und blasser bzw. diffuser. Jupiter wurde umstellt von zwei nahen Monden und einem dritten Begleiter, der sich weiter entfernt in westlicher Richtung befand. Diese Gruppe machte einen tollen Eindruck, obschon mir die Farben flauer vorkamen als sonst. Und ich ärgerte mich, dass ich mein 9er nicht dabeihatte.


Der nächste Schwenk brachte mich ins Schwertgehänge des Orions. Ein Blick auf M42 im 32er: Schön! Es war zwar schon besser, aber dennoch beeindruckte das Zentrum mit seinem Detailreichtum und den Dunkelstrukturen. Allen voran der Bereich südlich des aufgelösten Trapezes schien zerrissen und zerfasert und durchzogen von wildem Staub. M43 erschien als eiförmiger Nebel und auch der "Running Man" war zu erkennen.


Eigentliches Ziel war der Sternhaufen südlich des Nebels, NGC 1980. Im 32er eine unscheinbare und lose Ansammlung relativ heller Sterne. Der Haufen scheint eher arm und enthält, je nachdem wo man die Grenze zieht, 8-15 Mitglieder. Ein heller und markanter Stern dominiert den Anblick, doch das Fehlen von schwachen Mitgliedern macht den Haufen zu einem unspektakulären Objekt. Im 26er grenzte ich den "eigentlichen" Haufen auf 10 Mitglieder ein, in dessen Mitte die zwei hellsten Sterne direkt nebeneinander standen wie eine Doppelsonne gleicher Helligkeit. Allesamt formten grob einen einfachen Kinderflugdrachen. Der erwähnte dominante Stern stand nördlich davon. Der Anblick im 15er blieb unverändert.


Der nächste Schwenk ging hinauf zu NGC 1981, der Haufen unmittelbar nördlich von M42. Er war noch unscheinbarer als sein Vorgänger, da ich nicht wusste, wo die Grenze zu ziehen war. Sicher war ich nur bei einem markanten Bogen aus 3 gleichhellen Sternen, der schwach nach Westen gekrümmt war und auf eine aufgelöste, etwa gleichgroße Gruppe aus etwa 11 Sternen unterschiedlicher Helligkeiten zeigte. Im 26er erinnerte mich die Form an den "Kleiderbügel", bei dem jedoch der eine Arm abgebrochen war.


Von fern erklangen dann und wann laute Rufe und Böllergeräusche. In der Stadt war wohl wieder irgendwo Halligalli... Als nächstes stand M78 auf der Liste, den ich eigentlich zeichnen wollte, allerdings hatte ich kein Papier dabei. Direkt ohne Karte auffindbar, erschien der Reflexionsnebel im 26er als auffälliger, aber flau wirkender, runder, blasser Nebel, der zwei benachbarte Sterne einrahmte. Konturlos und ohne Details, obschon ich eine schärfer abgegrenzte Kante im Nordwesten ausmachen konnte. Ähnlich der Anblick im 20er: Völlig detaillos. Es waren nur zwei Sterne und ihr Halo, die scharfkantige Grenze im Nordwesten jedoch manifestierte sich. Bei indirektem Sehen erschien die Nebelform als länglich-kastenförmig. Der Wechsel aufs 15er-Okular schien besser. Der größte Teil der Nebelmassen wehte nordöstlich hinter den beiden Sternen her. Die Übergänge in den Hintergrund waren sehr zart. M78 war die Enttäuschung des Abends.


Um 20:15 Uhr hielt ich kurz inne, um die Szenerie aufzunehmen. Orion thronte über dem großen Container und hatte zu seinen Füßen den Hasen erlegt, dessen Hauptsterne deutlich zu sehen waren. Sirius, nun viel heller, flimmerte kaum, was auf ein gutes Seeing schließen ließ. Es war zwar kalt, doch ich fror nicht. Selbst meine Hände waren betriebsfähig, obschon ich nur die dünnen Laufhandschuhe trug. Der Winterhimmel ist so ein erhabener Anblick!


Nun ging es weiter östlich zum Weihnachtsbaumhaufen NGC 2264. Im 32er war er groß und schön und machte seinem Spitznamen alle Ehre. Der hellste Stern (15 Mon) bildete den Fuß. Es folgt eine Ost-West-verlaufende Kante und davon ausgehend eine gezackte Pfeilspitze, die in den Süden zeigt und einen Tannenbaum suggeriert. Dieser ist allerdings sternleer. Das helle, an der Spitze stehende Mitglied stellt das Sahnebonbon dar – großartig! Der Haufen ist aufgelöst und enthält ca. 30 Sterne mit abwechslungsreichen Helligkeiten. Der Anblick im 26er ist am besten, die Ansammlung steht perfekt im Gesichtsfeld. Die Form erinnerte mich alternativ an einen seitlichen Engel, der ein Kleidchen trägt und die Arme zum Gebet angewinkelt hat.


Ich versuchte, Hubble’s Veränderlichen zu finden, doch er war nicht sichtbar. Im Anschluss stand die Grenzgrößenbestimmung auf den Plan und ergab etwa 5,2 mag. Nicht zu vergleichen mit den Traumwerten aus Fläming oder Alpen, und es war schade, dass ich mich meiner H400-Liste nicht widmen konnte. Trotzdem waren diese einfachen Objekte Balsam für das geschundene Astro-Herz… Langsam wurde auch mir ein wenig kühl, doch ich beobachtete weiter. Mein Ziel für heute: Das Buch endlich vollkriegen! Ich wandte mich NGC 2129 zu, einem hübschen Haufen in Gemini. Form leicht viereckig und mit einem markanten Kreuz bzw. Dreieck als Gerüst des Haufens. Ringsum einige schwächere Mitglieder, insg. etwa 15 an der Zahl. Im Zentralbereich scheint sich noch Nebel zu halten. Ich wollte auf das 20er Okular wechseln, bis ich feststellte, dass ich dies bereits verwendete! Also ging die Vergrößerung auf –fach. Der Anblick war ähnlich. Der Offene Haufen wirkte strukturiert und aufgeräumt und prima aufgelöst. Schön!


Nun war ich auf der letzten Seite im Beobachtungsbuch angekommen, auf die noch zwei Objekte passen könnten. NGC 1245 war eins davon. Ein Offener Haufen im Perseus, und es ging in schwindelerregende Höhen. Im 26er ein fast unauffälliger, runder, unauflösbarer Nebel. Die Steigerung durchs 20er brachte viele schwache Mitglieder hervor. Der Haufen war sehr reich und unzählbar. Einige Einzelsterne stachen heraus, sowohl vor dem „Objektkern“ selber, als auch darüber hinaus, wenn man indirektes Sehen anwendet. Es gab weder deutliche Helligkeitsunterschiede, noch Ketten oder Muster. Die Form war länglich-rund. Im 15er verlor sich das „Gewimmel“ im Hintergrund, jedoch traten die auflösbaren Einzelsterne deutlicher und zahlreicher hervor. Der Gesamteindruck blieb neblig.


„Einer geht noch, einer geht noch rein…“ Meine Wahl fiel auf NGC 1528, ebenso im Perseus. Die derzeitige Position in Zenitnähe forderte alle Verbiegungskunst – ich hasse es! Doch im 26er zeigte sich ein sehr großer und auffälliger Offener Haufen in gleichschenkliger Dreiecksform. Viele Sterne waren gleicher Helligkeit und innerhalb des Dreiecks unregelmäßig verteilt, sozusagen klumpig. Die Westspitze schien aggregierter als der Rest; dort fanden sich außerdem die drei hellsten Haufenmitglieder. Die kurze Seite war nicht exakt gerade, sondern etwas deformiert. Das Objekt war hervorragend aufgelöst und reich. Die Schätzung ging auf 40-50 Sterne. Wechsel auf das 20er-Okular: „Was für ein Anblick!“ Die vielen feinen Nadelpunkte standen wunderbar im Gesichtsfeld und die Klumpenbildung war gut nachzuvollziehen. NGC 1528 war die Überraschung des Abends!


Mit diesen Eindrücken und einem nun endlich vollen Beobachtungsbuch begann ich gegen 21 Uhr, einzupacken. Mir war doch recht kalt, aber die Schuhe waren ein absoluter Goldkauf. Viele Flugzeuge flogen über den noch immer superklaren Himmel und ich staunte über das ungewohnt gute Seeing. Mars war im Osten aufgegangen. Kein Wind ging, nur manchmal war er kurz aufgefrischt. Das Equipment landete im Auto, während aus dem Radio Brian Ferry trällerte. Eine Viertelstunde später war ich verschwunden.

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