28.05.2012 - Kurz und ... schmerzvoll: Laue Mainachten

Es hätte zahlenmäßig eine Rekordnacht werden können, aber da mein Kommilitone absagte, blieb es bei der altbekannten Viererrunde. Noch bei Sonnenschein zwischen Wolkenlücken brachen Uwe und ich kurz nach 20 Uhr auf. Die Weltmetropole Zeppernick war immer noch dicht (schon seit über einem halben Jahr), sodass wir eine Umleitung über Leitzkau fahren mussten. Ich bekam fast einen Koller, da die Umleitung nicht ausgeschildert war. 21:20 Uhr in Schweinitz angekommen. Seltsamerweise war Martin der erste, der da war. Der Fast-Halbmond schien hell und es zogen viele Wolken über den Himmel, die aber bereits im Begriff waren, sich aufzulösen.

Für die Unfallstatistik: Ich rammelte mit dem Ellbogen gegen die Autotür und zog mir dort eine schmerzhafte Wunde zu. Beim Rausreißen von hohen Grashalmen (zur optimalen Horizontsicht) schnitt ich mir in die linke Hand, wo ich dann blutete. Herrlich.


Ich hatte den 14-Zöller von Thomas Heising im Gepäck, und es graute mir vor dem Aufbau dieser abenteuerlichen Gitterkonstruktion. Dieses Gerät ist ein einziges Rätsel. Es dauerte eine gute Stunde, bis alles so dastand, wie es gedacht war und ohne Uwes Hilfe wäre das nicht möglich gewesen. Außerdem hatte der bescheuerte Leuchtpunktsucher einen Wackelkontakt und entschied spontan, wann er funktionieren wollte und wann nicht. Was für ein Mistding! An den blöden Drehfokussierer hatte ich bis dato noch gar nicht gedacht. Ich will meinen Zehnzöller zurückhaben...


Thomas P. kam um 22:00 Uhr zu uns und beklagte sich über die lange Umleitung. Er machte viele Stimmungsaufnahmen vom untergehenden (lahmen) Mond und auch Uwe tobte sich mit seiner neuen Ricoh aus. Es war sehr milde, trockene Luft, dicke Maikäfer brummten um unsere Ohren (Martin: „Der sche*ßt mir auf den Spiegel!“) und die Vögel zwitscherten ihre Abendserenaden in der Dämmerung. Als ich meine lange Schlafanzughose anzog, sah Martin zwischen den Bäumen ein Licht und nur „mono-beschuht“ stellte ich mich zu ihm, um herauszufinden, was das war – eine Straßenlaterne. Ich musste wieder die Reduzierung von ihm leihen („Ach, Schei*e!!!!“)

Über die erste Nachthälfte kann ich nicht viel schreiben, denn ich tat nichts Produktives. Mein Kohlenstoffstern-Projekt wollte ich beginnen, aber die Suche nach T Lyrae war mit diesem Mini-Sucher unspaßig. Irgendwann war er im Okular. Ein roter Stern, der nur durch seine Farbe besticht. Er ist nicht heller als die restlichen Feldsterne und fällt deswegen nicht sofort auf. Man muss genau hinschauen. Uwe ließ sich davon zu einem Bild mit dem Deltagraphen inspirieren und ich bepunktete eine Seitenhälfte im Beobachtungsbuch, um daraus irgendwann eine Zeichnung zu erstellen. Die erste im 14er! Und wahrscheinlich auch die letzte.


Es war nach halb 12 und der Mond stand noch immer gleißend hell hoch am Westhorizont. Im Auto sitzend aß ich Kekse, trank Kaffee und quatschte lange mit Thomas. Apropos Auto: Das „Sterbende-Bären-Brummen“ alle 3 Minuten war wieder da. Außerdem stellte ich freudig fest, dass die Kofferraumbeleuchtung irgendwann von selbst ausgeht. Man braucht nur Geduld. Die kleine Schnittwunde an meiner Hand tat weh und ich überlegte, ob ich den Verbandskasten plündern sollte.

Ich hatte keinen Bock mehr. Gelangweilt suchte ich Y CVn auf, der mich nicht vom Hocker riss und eher orange war, als rot. Was für eine Lusche. Glücklicherweise ging der Mond nun langsam unter, nahm eine schmutzig-braune Färbung an und versank im Horizont. In Schweinitz kläfften die Köter. In aller Regelmäßigkeit piepste der Selbstauslöser von Thomas‘ Kamera, woraufhin ein lautes Klick-Geräusch folgte. Es erinnerte mich an eine drohende Bombenexplosion. Die Milchstraße schimmerte im Schwan und die Teilungen und Dunkelstrukturen zeigten sich. Na endlich wieder in bekannte Deep-Sky-Gewässer! Auf in den Großen Wagen!

NGC 3949 zeigte sich im 32er als auffälliger, runder Nebel ohne Kern. Vergrößert im 20er war die eiförmige Galaxie mit einem Achsenverhältnis von 1:1,5 gut vom Hintergrund abgegrenzt. Die Helligkeit war nahezu überall gleich verteilt. Bei indirektem Sehen ging sie etwas stärker in die Länge (1:2) und es war blickweise ein Kern zu erkennen, aber nur sehr zart. Mit dem 15mm-Okular kam ich seltsamerweise nicht in den Fokus, weswegen ich gleich aufs 9er übergehen musste. Dort offenbarte sich der gleiche Anblick.


Das Auffinden von NGC 3665 dauerte lang. Dieser Sucher machte mich wahnsinnig! In der Übersichtsvergrößerung war die Galaxie gut zu sehen, machte aber einen eher schwächlichen Eindruck. Ein runder Nebel mit deutlich abgesetztem, flächigem Zentrum. Die Nachbarin 36?? war nicht zu sehen. Durch das 20er sah ich NGC 3665 als nahezu kreisförmig und allmählich in den Himmelshintergrund auslaufend. Das Zentrum schien oval. Dort, in der Mitte, versteckte sich der Kern, der nur schwach und gerade noch stellar herausblitzte. Es war nicht einfach, ihn vom kompakten Zentrum zu herauszulösen.


Die nächste Galaxie war die fast kreisrunde NGC 3631, die überraschend weitläufig war und zart in die Umgebung auslief. Der flächige Kern bzw. das kompakte, runde Zentrum setzte sich deutlich ab, was sich auch bei höherer Vergrößerung bestätigte. Im Vergleich dazu wirkte der Halo gewaltig und verlieh der Galaxie ein weichgespültes Aussehen.


Es war 01:39 Uhr. Von irgendwoher nervte ein Kuckuck mit seinen gleichnamigen Lauten und mein getreuer Ford stöhnte nach wie vor. Exorbitanter Stress für die Ohren. Außerdem raschelte es in Büschen rechts von uns. Ich war erstaunt, dass ich noch halbwegs munter war, trotz der schnellen 11,5km, die mir in den Beinen steckten. Aber ich merkte, dass das Aufstehen schon schwerer fiel und die Müdigkeit nur darauf wartete, sich über mich herzumachen. Aber no way! Es hatte angefangen, Spaß zu machen! Jetzt wird durchgezogen! Komme, was wolle!


Und tief im Westen kam eine Wolkenfront hoch. Oh oh. Das nächste Ziel im Großen Wagen war NGC 3898, die schnell aufgefunden war. Sie wirkte kompakt mit einem hellen, markanten Zentrum. Im 20er bestimmte ich die runde Form auf ein Verhältnis 1:2, aber bei indirektem Sehen schien sie länglicher. Dieser spitze Teil des Halos war sehr schwach, aber deutlich. Über den Kern ließ sich nur ein lapidares „stellar“ notieren. Ganz in der Nähe befand sich NGC 3888, die kein H400-Objekt ist, aber im 20er gleich bei 3898 stand. Sie war rundlich und schwächer, grenzte sich aber gut vom Hintergrund ab. Die Helligkeit nahm zur Mitte hin nicht nennenswert zu.

Nanu? Der Große Wagen versank in den Wolkenwogen. Plötzlich war der ganze Himmel dicht! Martin machte den hyperaktiven Kuckuck nach und meinereiner schwenkte panisch zum Schlangenträger, der noch unberührt war. NGC 6342 ist ein Kugelsternhaufen südlich vom wesentlich helleren M9 und trotzdem ein markanter, auffälliger Nebelball. Panisch schmiss ich die kurzen Okulare in den Auszug, um schneller als die Wolken zu sein. Im 20er und 9er war er nicht aufzulösen, schien aber bereits körnig. Oder „angelöst“ – was für ein schönes Wort! Ein markanter, hellerer Vordergrund- oder Einzelstern stand am Südrand des Kugelsternhaufens. Mehr ließ sich darüber nicht mehr herausfinden, denn die Wolken haben das Ziel erreicht. Ich: „Das ist suboptimal.“


Um 02:10 Uhr war also der ganze Himmel zugesuppt. Hmpf. Hngrr. Ich lief ein Stück den Feldweg rauf und runter, was noch erstaunlich gut funktionierte. Die Männer zeigten sich gegenseitig ihre getätigten Bilder auf den kleinen Kameradisplays. Martin: „Es riecht nach Regen.“ Ich gähne. Und liege im Gras. Über mir: Irgendwelche Sterne. Ich gähne. Ich bin müüüüüde. Im Nordosten war der Himmel schon lange nicht mehr schwarz, sondern dunkelblau, und stetig heller werdend. Cassiopeia verkehrt herum. Das Himmels-M. Ich gähne. Sternbild Kuckuck war auch noch da. Innerer Dämmerungszustand. Ich wurde wunderlich und fragte, ob jemand wisse, warum Vögel eigentlich überhaupt zwitschern. Wenn Hunde bellen, oder Katzen miauen, wollen sie ja irgendetwas ausdrücken. Aber was will ein Vogel sagen? Was will er der Welt mitteilen? Warum singen sie so schöne Lieder? Wollen sie die Welt ein Stückchen schöner machen? Sie sitzen einfach selbstlos auf Bäumen und erfreuen uns einfach dadurch, dass sie singen. Ist das nicht schön?


(Ich war totmüde.)


Thomas brach als erster auf. Zusammen mit Uwe gelang sogar der Abbau des 14-Zöllers in einer respektablen Zeit und wir huckten alles ins Auto. Er und Martin plünderten noch die Kekspackung und den Kaffee, bevor wir dann auch losfuhren. Es war kurz nach 03:00 Uhr und ich froh, dass ich auf dem Beifahrersitz vor mich hindämmern durfte.

 

Beobachtungsbericht von AKE

Schönebeck, 28.05.2012

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