27./28.09.2014 - Ungesunde Vergrößerungen

Viel Schlaf ging am Nachmittag leider nicht her, obwohl es für die kommenden Nachtstunden äußerst wichtig gewesen wäre. Aber wer will auch an Schlaf denken, wenn man in solch traumhafter Gegend unterwegs ist? Die kleine Pension, geführt von einer alteingesessenen, netten, älteren Frau im beschaulichen Dörfchen Eschach, verkörperte wirkliches Allgäu-Idyll. Das Autofahren über die leeren, kurvigen, schmalen Landstraßen machte einfach nur Spaß, denn die Sonne schien durch das bunte Laubwerk der Bäume und tauchte alles in ein goldenes Licht. Verträumte Kühe standen auf den satten, grünen Wiesen und ich fühlte mich wie in einem Werbespot für irgendwelche Allgäuer Milchprodukte. Unter azurblauem Himmel folgten wir der Route, die das kluge Navi ausgab, um zu einem Beobachtungsplatz auf etwa 1.100 m Höhe zu gelangen – der Stammplatz von Hajü & Co. Wir freuten uns auf ein Wiedersehen.



Etwa 18:45 Uhr waren wir oben und ich war völlig hingerissen von der Landschaft, auf die wir hinabblickten. Das Gelände um uns herum fiel steil hinab; dahinter erhoben sich wieder sanfte Hügel, teils bewaldet, teils nur von Wiese begrünt. Die berühmte Nadelbaumgruppe in südwestlicher Richtung, die am Wegrand stand, wog und rauschte im Wind. Unmittelbar hinter uns ragte eine höhere Erhebung empor, die dicht mit Fichten bestanden war. Leider trübte irgendein nebliger Siff die Horizonte ein, über denen der Himmel dennoch frei und blau war. In der weiten Ferne sahen wir Bergmassive, die sich trübe und träge im Dunst abzeichneten. Ich konnte nicht glauben, hier zu sein – schon bei dem ausklingenden Tageslicht definitiv einer der schönsten und reizvollsten Astro-Plätze, an denen ich jemals stand.

Norman fackelte nicht lange und baute seinen Dobson auf, während ich Abendbrot machte und umherging. Der Sonnenuntergang war wie gemalt. Aus dem Nordosten quoll jedoch bald eine Nebelwand hinauf, die der starke Wind rasch herantransportierte und uns besorgte. Was ist dies nun wieder für eine meteorologische Teufelei? „Das ist schon feucht hier“, sagte Norman erschrocken mit Blick auf das Holz seines Teleskopes. Wir ahnten bereits, dass die Luftfeuchte verdammt hoch sein musste, und die Wolken, die uns nun verstärkt einhüllten, machten die Lage nicht besser. Es wurde dunkler. Den Dobson stellten wir unter die Kofferraumklappe und hingen eine Decke darüber, um ihm ein wenig Tauschutz zu verpassen. Tja, da standen wir nun und wussten nicht weiter.

Ich zog mir gerade warme Sachen an, als zwei Autoscheinwerfer erschienen und an der Baumgruppe vorbei zu uns hinauffuhren. Es waren Roland und der mir bis dahin noch unbekannte Markus. Wir freuten uns über das Wiedersehen und Roland war völlig überrascht über unseren Besuch. Tja, unverhofft kommt manchmal oft! Wir tauschten Neuigkeiten aus und analysierten die Wettersituation, die sich für ihn nicht minder unerwartet ergab, insbesondere die Luftfeuchte. Der Nordosthorizont, von wo Wetter und Wind herkamen, war dunkel und dicht. Irgendwann nach 20:00 Uhr stieß dann auch Hajü zu uns, der direkt neben mir parkte. „Ja, was ist denn hier los? Was geht denn hier ab?“, fragte er entsetzt mit Blick in die Nebelsuppe. Laut eigener Aussage war ihm so etwas völlig neu an diesem Platz, und er erläuterte uns, den Fremdlingen, die Besonderheiten des hiesigen Mikroklimas. Wir waren gespannt, wie es sich entwickeln würde. Ein Kontrollblick auf Meteoblue (Internetempfang dort oben war wohl auch eine spektakuläre Seltenheit) kündigte freien Himmel ab spätestens 23:00 Uhr an… Na, mal sehen, was noch passiert!


Die Teleskope blieben zunächst noch im Auto, um sie vor Taubeschlag zu schützen. Stattdessen wurde rumgequatscht, Fotos geschossen und verzweifelt Wolkenlöcher in der undurchdringlichen Nebelbrühe gesucht. Diese dünnte sich mit fortschreitender Zeit tatsächlich zunehmend aus und erste Sternchen blinkten verschwommen hindurch. Wir verfolgten, wie sich die Inversion durchsetzte – die Wolken fielen hinab ins Tal und bildeten eine konstant absinkende Nebelgrenze. Überm Südhorizont leuchtete und knallte Feuerwerk durch den Dunst. Kenner Hajü sagte mehrfach: „Wenn die Kante unter den Bäumen ist, ists gut. Ist bald soweit, die sinkt immer mehr.“ Früher, als Meteoblue angekündigt hatte, gegen 22:15 Uhr, war der Himmel tatsächlich frei und ein schöner Sommerhimmel präsentierte sich. Mit 12°C war es angenehm mild, zumal der Wind abschwächte und später sogar komplett nachgelassen hatte. Der totale Knüller allerdings war das grandios gute Seeing – die Nacht der „ungesunden“ Vergrößerungen kündigte sich an. Laut Roland und Hajü eher Normalfall denn Ausnahme an diesem Platz. Ohmannomann. Allerdings sollte es auch die Nacht der durchnässten Teleskope werden – die Luftfeuchte schwankte zwischen 92 und 100%, womit wir wohl kein Einzelfall waren. Scheinbar hatte ganz Deutschland mit wasserge(über-)sättigter Luft zu kämpfen. Wir bauten die Gerätschaft auf (Norman wickelte den Streulichtschutz um sein Gestänge) und es wuchs ein regelrechter Gitterrohrwald empor, auf einer Fläche von etwa 15m Durchmesser. Drei Sechszehnzöller und zwei Zwölfer waren in den Himmel gerichtet; für Markus stand obendrein sogar auch ein FirstLight an.


Ich hatte noch keinen richtigen Objektplan für den Herbst, sondern wollte das abarbeiten, was vom Sommer noch ausstand. Doch da es erst so spät aufriss, war das alles bereits weit in Westen vorgerückt. Trotzdem sollte der Herkules-Kram endlich von der To-Do-Liste verschwinden, denn mich nervte das allmählich, also versuchen wir‘s! Das erste Objekt war Arp 312, ein winziges Grüppchen aus MCG-Galaxien, das nicht gerade das einfachste war und nördlich eines helleren Feldsternes stand. Bei 200x war ein größerer, diffuser, ovaler Fleck zu sehen, und direkt daneben ein kompakter und schwächerer Ball. Südöstlich dieses Knäuels löste sich noch ein drittes, sehr fades, komprimiertes Nebelchen heraus. Das war‘s auch schon; Details ließen sich nicht ausmachen.

Um die optischen Flächen vor dem Beschlagen zu schützen, tat ich bei absehbar längerem Nichtgebrauch den Deckel auf den Hauptspiegel und zog das Schutztütchen über den fangspiegelheizungslosen Fangspiegel. Später unterhielt ich mich mit Hajü darüber, der das ganz genauso tat und diesem Zeremoniell kurzum mit dem Begriff „Tüten-Pause“ einen Namen verlieh. Zwischenzeitlich hatte ich die Handschuhe ausgezogen, was eine echte Seltenheit ist, doch es war mild genug, dass die Patschehändchen auch ohne sie warm blieben. Norman war beeindruckt.


NGC 6058, ebenfalls im Herkules, ist ein PN, bei dem sich das Top-Seeing bezahlbar machte. Der helle Zentralstern war umgeben von einer rund-ovalen Hülle, die aber trotzdem überraschend „schwach“ war – dachte, der Kollege wäre kräftiger. Allerdings deuteten sich am nördlichen und südlichen Rand zwei hellere Schalensegmente an; leider zu dezent, um mich vom Hocker zu reißen. Hätte ich jedoch gewusst, dass es ja genau dieser PN war, der auch auf Normans Liste stand (hatten wir uns zwei Tage zuvor doch erst angeschaut!), hätte ich ihn mal dazugeholt.


Blätter, blätter, blätter, ich blätterte in den Schwan, um den Sharpless-Nebel Sh2-112 einzustellen. Schon in der Übersicht zeigte sich dieser als helle Nebelregion inmitten eines reichen Sternumfeldes. Rings um einen markanten Feldstern verdickte sich das Gebilde und spreizte sich in mehreren breiten „Fingern“ von diesem in südliche Richtung ab. Weiches Auslaufen der Grenzen in den Hintergrund, und ansonsten keine Details oder Strukturen.


Nebenan verkündete Hajü Tüten-Pause, weil sein Fangspiegel wieder zumachte. Das Problem ereilte uns alle. Roland hatte einen Ass im Ärmel, einen regelrechten Zaubertrick: Wärme-Knickpads! In aktivierter Form an die Rückseite gehalten, wärmten sie die Fläche auf und das Spiegelchen wird wieder frei. Norman profitierte davon sehr, denn sein kleiner Fangspiegel litt besonders unter dem Beschlag. Ich schlenderte kurz zu Hajü herüber, der NGC 891 im Okular hatte, die sich weit ausgedehnt und mit schönem dunklem Staubband zeigte. Es war eine herrliche Stimmung auf dem Platz, denn es war mild, die Käuze riefen aus verschiedenen Richtungen, irgendein Tier quäkte manchmal im Wald und durch die Inversion hatte sich eine scharf abgegrenzte Nebelschicht gebildet. Luftfeuchte aber bei 100% - das Messgerät stieg aus.

Ein derart gutes Seeing hatte ich, abgesehen vom Roque, noch nie erlebt, und die Stunde für den berühmten Min 1-92, besser bekannt als „Minkowskis Fußabdruck“, brach endlich an. Meine Vorbereitung bestand aus einer primitiven „Karte“ auf einem winzigen Notizzettel, wo ich mit Kugelschreiber ein paar Punkte, einen Kringel und die kryptischen Worte „das ist das Dreieck inmitten des großen Dreiecks“ hingekritzelt hatte. Ich war verwirrt und spielte Rätselraten am Okular. Irgendwann ging mir ein Licht auf und dieser hundsgemeine Proto-PN enthüllte seinen fiesen Charakter: Sehr hell, aber wahnsinnig klein und wirkte wie der unschuldige Teil einer kleinen markanten Sternkette. Nein, neeeein, das helle Sternchen da IST das Objekt! Ich weiß nicht, welche Schuhgröße der Herr Minkowski hatte, aber das, was er da am Himmel hinterließ, war echt fipsig. Selbst 450-fach waren nicht genug und Hajü lieh mir sein 3,5er-Okular aus, womit es auf 515-fach hochging. Min 1-92 zeigte sich deutlich länglich und geteilt in einen helleren, breiteren Part und einen kleineren. Beide wirkten grob dreieckig. Wunderbares Teil. Sooo macht das Spaß!

Während ich in Min 1-92 vertieft war, feierten nebenan die Herren an Normans Dobson eine regelrechte PN-Party und nahmen bei 850-facher Vergrößerung den zenitnahen NGC 7662 auseinander.

Gleich in der Nähe von Minkowskis kleinem Füßchen befand sich Henize 2-438, der unter dem Spitznamen „Campbell’s Hydrogen Star“ lief. Ums vorweg zu nehmen: Eins der Objekte, die mich in meiner bisherigen Beobachterzeit am nachhaltigsten beeindruckt haben. Das Sternfeld war schnell gefunden und bei 200x versuchte ich, das Ding zu identifizieren. Da war ein unscharf wirkender Stern, der von einem winzigen, tieforange glimmenden Hof umgeben war. Hatte die Farbe von Feuer. War das Einbildung? War diese Tönung tatsächlich so einfach sichtbar, und dazu noch derart intensiv, oder doch nur Täuschung meinerseits? Fluchend rannte ich zum Kofferraum, um das 4-mm-Oku zu holen. Letzte Zweifel der Objektidentifikation waren ausgeräumt (alle anderen Sterne hatten eindeutig keinen Hof, trotz der lästigen Tau-Tendenzen), aber die schöne Farbe war verschwunden und das kreisrunde Ding präsentierte sich im handelsüblichen Grau. Komisch. Aber ich fands einfach klasse und war begeistert.

Parallel dazu frohlockte Norman über einen Objekttipp von Hajü: NGC 40 im Kepheus.

Es war 00:45 Uhr, als ich kurz Luft holen musste und ein paar Meter auf dem Weg langmarschierte. Bis sich die dunkle Waldkante bedrohlich vor mir aufbaute – da bekam ich Angst und drehte wieder um. Roland kam mir entgegen und wir plauderten eine kurze Weile, ehe wir wieder zum Lager zurückkehrten. Angenehme 15°C laut Messung, es war spürbar wärmer als noch am Abend, aber eine Luftfeuchte jenseits von Gut und Böse. Markus schickte sich an, seinen Dobson abzubauen und zurückzufahren, während ich mich apfelkauend wieder der Arbeit zuwandte.

Ein Offener Sternhaufen im Schwan sollte es sein: Berkeley 83, der das Prädikat „Deep-Sky-Herausforderung“ trug. Hatte ich jedoch inzwischen vergessen und ich fragte mich, warum ich mir den überhaupt rausgesucht hatte. Es zeigte sich eine schwache, kleine, längliche Gruppe aus 5 bis 6 Sternen, die ich zunächst für den Sternhaufen hielt. Wirkte jedoch neblig und nicht aufgelöst, was sich auch bei hoher Vergrößerung nicht änderte. Trotzdem: „Gut als OS erkennbar“. Bei der Recherche hinterher aber stellte sich heraus, dass Berk 83 nicht diese längliche Gruppe war, sondern eben dieser beschriebene diffuse Part.

Das Kapitel „fiese Haufen“ war damit noch nicht abgeschlossen. Im Füchschen befand sich ein vielversprechendes Duo aus Czernik 40 und French 3. Ich sah praktisch weder den einen, noch den anderen. Cz 40 hielt ich für „nur eine kurze Kette aus 5/6 helleren Sternen, sehr klein“, und „der andere OS nicht als solcher erkennbar, größere Gruppe lose nebenan?“ – Nein. In beiden Fällen eine Fehlsichtung. Komisch, gerade die Sternhaufen machen mir hier Probleme!


Hajü hatte die Grenzgröße bestimmt: 6,3 bis 6,5 mag. Der Motor seiner Nachführung summte leise vor sich hin. Es war 02:20 Uhr und im Westen kroch irgendein dünner Siff herauf; der restliche Himmel war aber weiterhin frei und klar. Meine Sommer-Liste war sinnlos geworden und ich wusste nichts mehr mit mir anzufangen. Norman verwies mich auf die Vielfalt und das reichhaltige Angebot des Deepskyatlas, aber ich wollte nicht wahllos irgendwelche E0-Galaxien im Pegasus ansteuern, sondern irgendwas Gescheites…


Es folgte ein halbherziger Zeichenversuch von NGC 772/770, den ich mangels Begeisterung jedoch wieder abbrach. Als Roland verkündete, sich nun NGC 891 zuzuwenden, weckte das in mir das plötzliche Bestreben, ebenfalls irgendetwas Größeres anzugehen. Irgendetwas, was mich möglichst lange beschäftigt. Eine Fleißarbeit, über die ich mich hinterher freuen kann. Was liegt da näher als die Plejaden? Das hatte ich sowieso schon lange vor… Eine gute Stunde lang habe ich brav Sterne und Nebelchen kartiert, was wegen des beschlagenen Okulars jedoch nicht einfach war. Was war echter Nebel, und was lediglich ein Hof?

Zwischenzeitlich hatte Hajü abgebaut und eingepackt und warf noch einen Blick auf M 45. Er fluchte über die triefend nassen Teleskopteile. Als ich kurzzeitig die Kofferraumklappe schließen wollte, entging ich nur knapp dem ergiebigen Wasserschwall, der sich oben angesammelt hatte und herunterplätscherte. Und Norman stellte fest, dass seine Stangen selbst von innen angegangen waren. Ich hatte Glück: Mein Fangspiegel – der dicke, treue Glasklotz; mein Fels in der Brandung! – weigerte sich auch ohne Tüten-Pausen standhaft, sich vom Tau besudeln zu lassen. Lediglich die Okulare bereiteten Sorgen, aber wofür gibt es Jackentaschen? Ich brauchte Pause von dem Plejaden-Marathon, wandelte umher und lungerte irgendwo auf dem Feldweg rum. Roland, der sich kurz zuvor mal auf den Boden legte und entspannte, war gerade mit M 42 beschäftigt und schwärmte in den höchsten Tönen vom aufgelösten Trapez. „Die Komponenten E und F… Die sind… Die sind einfach da!“ Überhaupt, der Anblick des prächtigen Orions über den Fichten weckte so richtig winterliche Gefühle. Brrr.

Es war 03:45 Uhr und ich blätterte planlos durch den Atlas. Im Eridanus entdeckte ich eine nett aussehende Konstellation aus zwei Galaxien bei einem hellen Stern: NGC 1618 und 1625. Beide zeigten sich als längliche, ähnlich große Nebel mit hellem Zentralgebiet. 1618 in NW-SO-Richtung gekippt und 1625 genau 90° dazu gedreht. Ich sah jedoch noch eine dritte Galaxie genau zwischen den beiden, die nicht im Atlas verzeichnet war: NGC 1622. Sie war nahezu ähnlich gestaltet wie 1618 und hatte dieselbe Ausrichtung. Hübsches Trio!


Wenige Grad nördlich, hinter der Grenze zum Stier (das Wort „TAU“ grinste mich im Atlas breit und höhnisch an), gab es eine weitere Gruppe, bestehend aus NGC 1587, 1588 und 1589. Zu denen machte ich mir keine Notizen, sondern beschränkte mich auf die Zeichnung. Auf jeden Fall eine tolle Konstellation, auf die ich Norman aufmerksam machte: „Ich habe hier ein schönes Galaxientrio, das wär was für dich.“ Er selber lag gerade mit Fernglas auf der Isomatte am Boden und gönnte sich eine Pause, während sein Fangspiegel hoffnungslos angelaufen war und diesen Zustand nicht mehr verlassen wollte.

Nun war ich wieder ziellos und suchte zwischen all den Seiten nach etwas Sinnvollem. „Ich mach jetzt NGC 2022, den du gestern ja verschmäht hattest“, sagte ich zu Norman. Antwort: „Ich hab‘ den nicht verschmäht, ich hatte den halt schon mal beobachtet und den nicht als so toll in Erinnerung. Aber vielleicht ist das heut anders bei dem Seeing.“ Der PN im Orion, überraschend schwach, präsentierte sich meiner müden Netzhaut lediglich als rund-ovale Scheibe. Norman glaubte, eine Einschnürung oder Teilung zu sehen, war sich aber unsicher. Echt nicht so der Hit, das Teil, und ich maulte: „Nur, weil DU den jetzt unbedingt sehen wolltest.“


Gegen 04:00 Uhr ließ meine Konzentration weiter nach und Roland packte allmählich zusammen. Wie ich die nachfolgende Stunde verbracht hatte, weiß ich nicht mehr; sämtliche Erinnerungen waren ausgelöscht oder vom Nebel verschluckt. Die Umgebung war ruhig. Gegen 05:00 Uhr fuhr Roland davon und die Ausgangslage des Abends war wieder hergestellt: Norman und ich allein am Platz. Ich gab mir nochmal einen Ruck und stellte den Asterismus Lorenzin 1 ein, der im Teleskop als schöne, große und reiche Gruppe daherkam, deren Mitglieder wie ein Lolli angeordnet waren. Ich wollte den zeichnen (der wär der Hit gewesen!), aber in Anbetracht des Reichtums verließ mich die Motivation. Also bloß schauen und genießen. Mit mir war echt nichts mehr los. Über den Fichten war Jupiter aufgegangen und verkündete die bald einsetzende Dämmerung. Da die Zeit also eh bald gelaufen war, begann ich, das Teleskop abzubauen, was auch Norman bei seinem Dobson gleichtat. Außerdem mussten die durchnässten Autoscheiben vom Tau befreit werden, innen wie außen.


Irgendwann lag alles wieder sicher verpackt und verstaut im Wagen und die Umgebung erhellte sich allmählich. Wir unternahmen noch einen kleinen Spaziergang entlang des Weges, durch den noch stockfinsteren Gruselwald und vorbei an einer kleinen Kapelle, und bestaunten das brillante Seeing. Sirius zeigte kaum ein Flackern. Es war schlicht unglaublich, dass es sowas gab hierzulande, und der euphorische Norman kriegte sich gar nicht wieder ein darüber, dass er locker mit 850x auf die PN losgehen konnte. Gegen halb 7 starteten wir, um zur Pension zurückzudüsen. Ich musste mich stark zusammenreißen und konzentrieren, um das Lenkrad zu beherrschen, trotz der nur 18 Minuten dauernden Rückfahrt – ich war totmüde. Aber sowas von. Heil angekommen, zeigte sich ein wunderschönes buntes Farbenspiel am Horizont hinter den dunklen Bergen. Dies fotografisch noch festgehalten, ehe es in die Heia ging, um für die Rückfahrt zur Mittagszeit ausgeschlafen zu sein.

Ein Beobachtungsbericht von AKE

30.09.2014

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