23./24.04.2011 - Lichtschwache Funzeln bei Puls 200 –

oder: Eine Nacht in der Todeszone

Gute Voraussetzungen für eine österliche Beobachtungsnacht! Klares Wetter durchweg und laue Temperaturen. Ich freute mich auf das "offizielle" First Light meines nagelneuen 26-mm-Okulars (das inoffizielle war am Vortag auf der Sternwarte) und die Einweihung meiner ebenfalls neuen Astrolampe. Außerdem warteten einige Herschel-400-Galaxien auf meinen Besuch. Es stand viel auf dem Plan.



Um 19:44 Uhr starteten Uwe und ich und machten uns auf in Richtung Schweinitz, zum besten Beobachtungsplatz zwischen Magdeburg und Berlin. Während der Fahrt konnte ich in den Rückspiegeln einen wunderschönen Sonnenuntergang verfolgen (Uwe: "Guck lieber nach vorn!"), der sogar so schön war, dass wir uns irgendwo kurz vor Möckern zu einem Photostop entschlossen, um die glutrote Sonne hinter einer standfesten Armee Windkraftanlagen zu portraitieren. Jedes kleine Dörfchen hatte heute sein eigenes Osterfeuer am Laufen und viele Menschen waren unterwegs. Dafür kaum Autos. Wir kamen gut durch, sodass wir um 20:38 Uhr an unserem Beobachtungsplatz ankamen, der noch leer war - Martin war also noch nicht angekommen.

Es dämmerte schon fleißig und die Luft war angenehm mild. Die Skiausrüstung hatte ich daheim gelassen und stand in meiner todschicken Schlafanzughose auf dem Acker. Im Wald des Truppenübungsplatzes hinter uns zwitscherten ("twitterten") die Vögel und von noch weiter entfernt ertönte das Stimmengebrabbel, Menschengewirr und lautes Hundegekläffe vom Osterfeuerfest aus Schweinitz. Ich stellte mich auf die Böschung zu einer Kiefer und horchte, ob die Wölfe heulten, aber sie waren stumm. Uwe suchte nach den Löchern seines Statives vom letzten Mal und baute seine Ausrüstung auf. Mein Gerödel stand schon parat, sodass ich Ausschau halten konnte, wann Martins Wagen in Sicht kam. Sirius war zuallererst in der schwindenden Dämmerung zu sehen; nach und nach blinkten weitere Wintersterne auf, die aber schon bald im Westen versinken sollten. Der Frühling ist da! Ich stand noch auf der Böschung neben der Kiefer, als ich weit entfernt Scheinwerfer in unseren Feldweg einbiegen sehen konnte. "Martin kommt!", verkündete ich. Doch ein zweites Auto folgte. Wir überlegten, ob er jemanden mitgebracht hat (die Woosts? Herrn Neumann? Den Förster? Die Polizei?), aber irgendwann war das zusätzliche Scheinwerferpaar nicht mehr zu sehen.

Martin stieß um 21:20 Uhr zu uns - pünktlich zum Sichtbarwerden des Polarsterns. Er beklagte sich über das (wirklich) arge Seeing, das alle Sterne zum Funkeln brachte und berichtete von einem Autofahrer, der an der Kreuzung hinter ihm ein Stück in seine Richtung fuhr, dann aber abgebogen sein muss - deswegen sahen wir zwei Scheinwerfer. Während sie beide fleißig aufbauten, hatte ich indes die Justierung meines Teleskops überprüft (tiptop!), den Sucher ausgerichtet (tiptop!) und meinen Ramsch ausgepackt (so viele Okulare!). Nun musste es nur noch dunkel werden. Gegen dreiviertel 10 flog ein stellares Objekt über den Himmel, das ich für die ISS hielt, aber nur wenige Minuten später zog ein zweites, weitaus helleres "UFO" auf fast derselben Bahn in den Osthimmel hinein. Tatsächlich flog die Raumstation mit -3,7mag um 21:45 Uhr hoch im Süden - aber worum es sich beim ersten Objekt handelte, ist unklar.


Bevor es "richtig losging", tranken Uwe und ich noch einen Kaffee und zu dritt hielten wir eine kurze Besprechung ab. Sie aßen ihre Klappstullen. Das Stimmengewirr aus Schweinitz wehte noch immer über den Wald, doch die Vogelwelt verstummte allmählich. Meine Astrolampe begeisterte mich jetzt schon. Sie baumelte indiskret um den Hals; doch wenn ich sie brauchte, war sie sofort griffbereit. So muss das sein! Ich visierte "zum Zeitvertreib" den guten, alten Saturn an, an dem man das üble Seeing gut sehen konnte. Er waberte und tanzte; ein flirriger und unruhiger Anblick. Ein paar Monde standen nebenbei.


Am Horizont, nahe der Kante des weit entfernt herausragenden Waldstücks, begann ein orangenes Licht zu leuchten. Es machte Rabbatz wie das Blinklicht der Müllabfuhr. Ich überlegte, es mit dem Dobson anzuvisieren, doch ich steckte bereits mitten in der Objektsuche. Wir wunderten uns, was es sein mochte. Feuerwehrautos, Langoliers, Müllabfuhr? Was auch immer, es war ein großer Wagen, der kurz darauf wegfuhr. Der Himmel über Schweinitz indes begann zu leuchten und zu knallen; Uwe wunderte sich. Ich: "Wetterleuchten!" Nein, es war wohl das finale Osterfeuerwerk; obwohl die dumpfen Geräusche eher an eine Bombenübung auf dem Truppenplatz erinnerten.


Die Suche nach NGC 3521 dauerte lange, doch die Galaxie im Löwen war unübersehbar. Das hellste der heutigen Herschel-400-Objekte direkt am Anfang! Oval-spitze Form mit länglichem Zentrum und stellarem Kern. Die "Müllabfuhr" tauchte wieder am Horizont auf und ich wechselte zum neuen 26er. Zitat: "Ich bin entzückt!" Der Kern erschien kräftiger, aber in der Nord-Süd-ausgerichteten Galaxie (Achsenverhältnis 2,5:1) waren keine Details auszumachen. Während der Beobachtung hörte ich immer wieder ein feines, schwaches Geräusch aus der Richtung des Waldes. Es kehrte auffallend regelmäßig wieder und erinnerte mich an einen verendenden Bären, der in seinem Todeskampf seine letzten Atemzüge in ein müdes, brummendes Stöhnen investierte. Oder wahlweise auch an das ferne Röhren eines Elches. Womöglich ein streifendes Tier im Walde. Ich hörte es leise, aber es beunruhigte mich nicht, da es sehr fern erschien.


Ich suchte nun NGC 3640 auf, die, zunächst unauffällig, in allen Vergrößerungen dasselbe Bild bot: ziemlich kompakt, rund, mit hellem Kern inmitten eines Zentrums, das im Vergleich zum umgebenden Halo auffällig groß geraten war. Details waren keine sichtbar.


Ich machte meine Mitbeobachter auf das ferne Geräusch aufmerksam, das von ihnen jedoch nicht gehört wurde. Es beschäftigte mich. Wir waren still und lauschten. Plötzlich ertönte es in aller Deutlichkeit, scheinbar näher am Waldrand - Uwe: "Jetzt hab ichs auch gehört." Es kam näher!! Mich packte die Panik. Er tippte auf einen Wolf, der irgendwo herumstriff und heulte, aber so hörte sich doch kein heulender Wolf an?! Ich peilte die Zielregion von NGC 3810 an, doch ich wurde ständig von diesem beängstigenden Brummen abgelenkt. Bei einem scheinbar besonders lauten Ton flüchtete ich zu Uwe und Martin, die ein paar Meter weiter vom Waldrand entfernt standen. Man bot mir an, meinen Dobson zu verrücken; raus aus der Todeszone. Wir horchten erneut. Plötzlich schreckte mich ein weiteres Brummen auf, das jedoch aus der anderen Richtung ertönte - Martins Montierung beim Anfahren eines Sternes! Ich lachte erleichtert auf und kehrte zu meiner Ausrüstung zurück. Aktenzeichen XY ungelöst scheinbar doch aufgeklärt...


Ich fand die Galaxie und sah einen auffälligen, detaillosen, ovalen (2:1) Nebel mit einem blickweise feinen, punktförmigen Kern. Doch schon bald stöhnte es wieder aus dem Wald und ich befand mich kurz vorm Koller. Puls 210! Zusammen mit Uwe verstellte ich den Dobson - zum Teufel mit NGCwasweißich!!! Ich will doch beim Beobachten nicht dem Tod ins Auge blicken müssen, oder, schlimmer noch, einem umnachteten Bären auf dem Sterbebett! Ich sah dauernd zur Böschung in der Erwartung, gleich das elende Untier mit den reißenden Zähnen, blutroten Augen und sabbertriefendem Maul auf mich zutaumeln zu sehen; die Monsterklauen erhoben, um mich mal gaaaanz kräftig zu umarmen. Wie konnte ich mich zwei Wochen zuvor nur so weit abseits ins Gebüsch jenseits der Böschung gewagt haben?? In meiner hiesigen Panik wäre das sowieso nicht nötig gewesen - ich hätte mir eher schon vorher ins Hemd gemacht. Ich empfand jähen Respekt vor meinem vorzeitigen, mutigen Ich. Ja, ich bin eine Memme! Und so viel "Äktschn" ist absolut nicht mein Ding. Ich wollte auf der Stelle mein Studium abbrechen - ich hasse die Natur! Wo sind diese scheiß Jäger, wenn man sie mal braucht??!


Es war kurz nach 23:00 Uhr und Uwe reichte mir seine große, keulenförmige Taschenlampe, die mir wie der ideale Prügel vorkam. Doch schon bald forderte er sie zurück, um sich selber mal in die Todeszone zu wagen. Er ging auf die Böschung und schaute; leuchtete in den Wald hinein. Indes stellte ich NGC - was hatte ich noch gleich beobachtet? - wieder ein, aber die Angst hatte mich im Griff und lähmte meine Konzentration. Als er wiederkehrte, stellte er seine Forschungsergebnisse vor: "Das hört sich wirklich so an wie ein verendendes Tier." - Na toll! Da stirbt was! - "Aber das ist schon weitergewandert. Das hat den Wald durchquert, ist schon weiter weg." Doch davon wollte ich nichts wissen: "Nein, das sitzt da hinter der Böschung und lauert, um mich zu holen! Das ist viel zu nah!" Später offenbarte ich: "Die Beobachtung von NGC 3810 geht in die Geschichte ein! Seit 'ner halben Stunde schon beobachte ich die und werd' nicht fertig!" Man lachte über mich. Ohh ja, die ureigensten Ängste. Da ist niemand vor gefeit. In dem Punkt ist sich jeder einig - wir kochen alle nur mit Wasser!


Als Uwe ein zweites Mal die Böschung bestieg, stand ich am Rande des Ackers. Ich konnte seinen schwarzen Umriss vor dem Lichtkegel der durch die Taschenlampe erleuchteten Umgebung vor ihm sehen. Es brummte wieder und das Licht erlosch. Uwe kam herunter; ich ging zu ihm. "Das ist hinter meinem Rücken!", wusste er zu berichten und wir standen neben meinem Auto. "Ist es vielleicht die Antenne, oder was?" Ich wusste es nicht und legte mein Ohr auf die Windschutzscheibe. War es womöglich mein Wagen (mein treuer, starker, beschützender Ford! Mein einziger Rückzugsraum im Falle der Flucht, wenns hart auf hart kommt!), der da grummelte? Ich wartete, wartete, und wartete, musste ein Lachen unterdrücken... Tatsächlich! Irgendwas im/auf/unterm/... Auto brummte da alle zwei Minuten. Ich lachte frei heraus und musste mir Uwes Beschuldigung anhören, ich hätte das Geräusch die ganze Zeit erzeugt. Wir öffneten den Kofferraum, um die Störquelle zu orten, aber sie war nicht zu bestimmen. Es klang nun eher wie ein vibrierendes Handy, das unter einer Decke versteckt dumpf vor sich hin knurrte. Oder womöglich klagte mein PKW unter der Last der zentimeterdicken Staubschicht auf der Heckscheibe?

Wie dem auch sei - ich war erleichtert und lief ein paar Meter, um mich aufzuwärmen. Die Beobachtung von NGC 3810 dauerte eine geschlagene Dreiviertelstunde (lohnte sich aber nicht, die Galaxie gab nicht viel her). In der Zwischenzeit wechselte das Datum und ich wünschte einen schönen Ostersonntag. NGC 3412 stand als nächstes auf dem Programm. Sie befand sich in einem dichten Galaxiengewusel im Löwen und war eine der Schwächeren Exemplare dort. Ich sah eine rundlich-ovale Form, Nord-Süd-ausgerichtet, mit stellarem Kern, aber ohne Details. Auch höhere Vergrößerungen brachten keine Verbesserung. NGC 3245 stellte keine Abwechslung dar. Erst nach längerem Hinsehen sichtbar, kompakt und leicht mit einem Stern zu verwechseln. Uwe versorgte mich in der Zwischenzeit mit Kaffee und einem Balisto. Das 26er zeigte einen kleinen, diffusen, runden Halo mit stellarem Kern und hellem Zentrum. Das sind heute alles nur solche kleinen Schwächlinge... Ich holte mir zur Motivation einen weiteren Balisto.


Martin sprach über "die Augen" und Uwe saß schweigend auf seiner Leiter und behielt die Anzeige seiner Nachführkorrektur im Blick ("Läuft gut!"). Mein Auto jammerte immer noch in aller Regelmäßigkeit, aber mir war es nunmehr gleich. Trotzdem versuchten wir, es zum Schweigen zu bringen, indem wir den Zündschlüssel rauszogen - ohne Erfolg. Zu zweit gingen Uwe und ich dann ein Stück den Feldweg entlang und hielten eine kurze Diskussion über den Horizontdunst, der das Licht von Berlin scheinbar derart stark abdeckelte, dass dessen Schein kaum zu sehen war. Dafür war der Lichtkegel von Zerbst im Süden heute umso auffälliger. Aber nichtsdestotrotz war die im Osten aufsteigende Milchstraße ("Milky way is coming!") wunderschön zu sehen.


Wieder zurück nahm ich die gut auffindbare NGC 3486 aufs Korn. Sie war im 32er auffällig und bildete mit zwei Sternen ein nahezu rechtwinkliges Dreieck. Sie war leicht oval und recht diffus. Die Helligkeitsverläufe von innen nach außen waren sanft; es gab kein markantes Zentrum und keinen Kern. Dies bestätigte sich im 26er: "sehr zart, kein auffälliger Kern, keine abrupten Helligkeitswechsel, keine Details". Martin verkündete inzwischen, dass seine Aufnahme läuft; Uwes braucht noch fünf Minuten. Langsam frischte der Wind aus Norden auf (Martin: "Oh! Sturm!"), was ich beim Laufen merkte - der Gegenwind bei den Rückwegen wurde etwas stärker und sauste lauter um meine Ohren. Aber es war noch angenehm lau. Mein Taschenofen lief, damit die Tinte in meinem Kugelschreiber nicht ins Stocken geriet; und nicht, weil mir kalt war. Ich maß die Grenzgröße (in der Beziehung bin ich nachlässig geworden) und kam auf einen Wert von etwa 6,1 - 6,2mag. Ich teilte es mit und wir waren uns einig, dass das wirklich prima war. Zitat aus dem Beobachtungsbuch: "01:30 Uhr, alles gut!"


NGC 3626 kam als nächstes. Sie war, trotz der geringen Helligkeitsangabe, überraschend einfach sichtbar. Zwar schwach, aber gut zu sehen. Den Kern konnte man nur bei indirektem Sehen erkennen. Der Halo war, im Vergleich zum hellen Zentrum, recht schmächtig. Dadurch schien die Galaxie eher unauffällig und könnte leicht mit einem defokussiertem Stern verwechselt werden. Im 20er verschmolz bei direktem Sehen der Kern mit dem Zentrum; bei indirektem Sehen vergrößerte sich der mickrige Halo nur geringfügig, doch der Kern blinkte nun "pünktlich" heraus.


Der Beobachtung von NGC 3900 hätte ich mich im Nachhinein ausführlicher widmen sollen. Sie selber war eher unscheinbarer Natur und fast grenzwertig. Im 26er besser und eindeutig zu sehen, leicht ovale Form. Ich meinte, die benachbarte NGC 3912 auch zu sehen, aber die Stellte stimmte nicht mit der Position in der Karte überein. Da war ein schwächerer, scheinbar ausgedehnterer, rundlicher Nebelfleck! Im 20er entpuppte sich dieser Fleck allerdings als eine enge Versammlung von vier schwachen Sternen - schade. Ich hätte dennoch versuchen sollen, NGC 3912 auch zu finden, denn erst später fand ich heraus, dass es auch ein Herschel-400-Objekt war. Menno! Jetzt muss ich die Gegend erneut aufsuchen... NGC 3900 blieb auch bei höherer Vergrößerung ohne Details.


Es war nun um 02:00 Uhr. Die Milchstraße stand schön über dem Wald und der Skorpion war im Osten schon aufgestiegen. Der Himmel war dunkel; vom Mond also noch keine Spur. Ab und an sauste mal eine Lyride über das Firmament. Das Seeing war grottig und machte keine Anstalten, besser zu werden; aber dafür war die Luft sonst knochentrocken. Kein Tau schlug auf den Optiken nieder. Gott sei Dank! Martin sprach über seine Zähne, nachdem er feststellte, dass er am Vorabend vergessen hatte, sein Antibiotikum einzunehmen. Er wollte sie Uwe zeigen, doch der lehnte dankend ab.


NGC 5689, eine Galaxie im Bärenhüter, war noch aus der letzten Beobachtungsnacht übrig geblieben. Zitat aus den Notizen: "Grenzwertiges schwaches Mistding!" Im 26er war sie besser. Eher kompakt und mickrig. Abgesehen vom hellen Kern, der im Zentrum raussticht, war der Rest der Galaxie von gleicher Helligkeit. Die Form war länglich mit Ost-West-Ausrichtung. Das nächste Objekt, NGC 2742 in der Großen Bärin, war ähnlich luschig, was aber mehr daran lag, dass der Mond langsam im Osten aufging und sein Licht quer über den Himmel verteilte. Ich war mir zunächst unsicher und sah an Ort und Stelle einen grenzwertigen runden Nebelball. Bei näherem Hinsehen manifestierte sich dieser Eindruck. Kein Kern, kein markantes Zentrum, einheitliche Helligkeit, ovale Form. Ich hörte Geräusche neben mir. "Baust du schon ab?", fragte ich Uwe. Ja, er baute ab. Das prangerte ich an!


02:40 Uhr. Die Milchstraße verblasste im aufgehenden Mondenschein. Ich machte einen kurzen Lauf und sah im Norden eine extrem helle Lyride, die an Cassiopeia herunter sauste. Ich blieb stehen und rief "Wow!" Ich lief zurück. Martin verkündete von Weitem, dass er sie auch sah. "Aber zum Schluss wurde sie langsamer, oder?" - "Ja, sah aber gut aus." Ich kehrte erneut um und rannte noch ein paar Meter den Feldweg hinauf, und wieder zurück. Das diffuse Mondlicht erhellte die Fahrspuren des Pfades soweit, dass man gut laufen konnte, ohne das Risiko eingehen zu müssen, sich die Haxen zu brechen. Unser Erdtrabant leuchtete schwach durch die nun weiter entfernten Baumwipfel hindurch. Tja, und nun?


Ich gönnte mir, nach den ganzen vielen schwachen Funzeln, einen wahren Augenöffner: Mein Lieblingsobjekt, der offene Sternhaufen NGC 6940 im Schwan. Im Ausklang dieser Beobachtungsnacht wurde ich noch einmal richtig poetisch. Zitat aus den Aufzeichnungen: "26er: Wow, Photonendusche nach den ganzen Minidingern! schöner Anblick im neuen Okular, aufgelöster Offener Haufen, sternreich, toll inmitten dieses langgestreckten, linsenförmigen Sternrings, der so ähnlich aussieht wie der Körper vom Sternbild Löwe, "oben" (d.h. Richtung Osten) scheint dieser Ring jäh unterbrochen, weil dort scheinbar Haufenmitglieder herauspurzeln und sich wie ein paar Edelsteine funkelnd über den Himmel ergießen - großartig!, der linsenförmige Ring hütet den Sternhaufen wie einen Schatz, vermag ihn aber nicht zu halten, was für ein wunderschöner Anblick..." Nun, mehr ist dem nicht hinzuzufügen. Dieses Objekt könnte ich stundenlang begaffen.


Das letzte Objekt war M 71. Auch schön, sehr sternreich, aber nicht aufzulösen. Um 03:10 Uhr beendete ich die Beobachtung. Uwe war schon fertig mit zusammenpacken und saß im nach wie vor gnatzenden Auto; stieg später aus und lief ein bisschen am Wald lang. Ich kramte alles zusammen. Martin belichtete den Quasar in der Jungfrau und machte noch keinerlei Anstalten, zusammenzubauen. Ich überlegte, mich mal unters Auto zu legen, weil ich vermutete, dass das Geräusch von "unter dem Wagen" stammt. - Ach, keine Ahnung! Kurz nach halb Vier verabschiedeten wir uns von Martin und brachen gen Heimat auf. Als wir wieder da waren, hatte auch schon die Morgendämmerung eingesetzt. Und ich legte mir gedanklich die Worte für einen ausführlichen Beobachtungsbericht zurecht...




Beobachtungsbericht von A. Ebeling

Schönebeck, 24.04.2011

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