21.05.2007 - Von Miniplaneten und Mondschatten

Wie alles begann...
Mit dem Fernglas, Taschenlampe, mp3-Player, Kamera, der „Interstellarum“ Nr. 51 und den Worten „Ich bleib nicht lang draußen“ verließ ich mein Zimmer in Richtung Terrasse. Ich hatte mich gerade von Bob Ross und Harald Lesch, der versuchte, mir etwas von Paralleluniversen zu erzählen (ich hörte aber nicht zu) losgeeist. Mein Ziel für diese Nacht: Den Kleinplaneten Vesta beobachten. Ich las in der besagten Zeitschrift etwas über die gute Sichtbarkeit des 500km großen Brockens und beschloss, ihn mit Fernglas zu jagen. Ich hatte auch eine gute Karte – mir stand der Nacht also nichts im Wege.
Warme Frühlingsnächte
Ich fand draußen einen eher mittelmäßigen Himmel: sehr aufgehellt, wolkenlos, durchschnittliche Transparenz aber ein gutes Seeing. Ich baute mir alles in meiner kleinen Ecke auf, was ich so brauchen werde. Dazu gehörten auch der Newton (als Stativ für die Kamera) und der obligatorische Holzstuhl. Den Dobson wollte ich nicht noch zusätzlich rausschleppen – ich wollte schließlich nicht lang draußen bleiben. Ich machte dann meinen mp3-Player an, und passend zum aktuellen Himmel lief als erstes das Lied „Drops of Jupiter“ von Train. Es war recht warm, und ich stand mit übergroßem T-Shirt und einem Febro-Handtuch auf dem Rasen.
Vesta – Auf gehts!
Das erste, was ich machte, war ein Bild von meiner Zielregion. Jupiter leuchtete dort alles in Grund und Boden und schuf ein ansehnliches Szenario. Ich fand auch gleich die beiden Sterne, die mir als Sprungbrett zu Vesta dienen sollten.

Ich suchte in meiner Karte den Kleinplaneten und versuchte anschließend, mein Ziel zu finden. Und es klappte auf Anhieb. Auf dem Holzstuhl stehend konnte ich Vesta mit dem Fernglas ausfindig machen. Ich überprüfte die Position mehrmals und kam immer wieder zu dem gleichen Ergebnis – mein erster Kleinplanet! Juhu! Ich gab zu, der Anblick war so gesehen nichts Besonderes. „Die Kleine“ sah aus wie jeder normale Stern und wenn man nicht wusste, was das ist, könnte man sie glatt mit selbigem verwechseln. Ich bastelte an der Kamera herum, spielte mit dem Zoom und versuchte, Vesta irgendwie auf den Chip zu bannen. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich damit so ... erfolgreich bin!

Weitere Beobachtungen
Während die Kamera die Vesta-Bilder aufgenommen hatte, schnüffelte ich mit Fernglas durch den Himmel. Milchstraße, den Kugelsternhaufen M13, das Sternbild Leier ... Ja, das Ding macht schon Spaß. Auch ließ ich mir eine kurze Jupiterbeobachtung nicht nehmen. Majestätisch schwebte er über der Hecke, und trotz meines Zitterns konnte ich Monde erkennen. Immer wieder kehrten meine Augen zu Vesta zurück, die für mich immer interessanter wurde.
Es kam, wie es kommen musste...
Tatsächlich entschloss ich mich, meinen Dobson aufzubauen. Ich lief in mein Zimmer zurück und holte meine Okulare. Wieder draußen, musste ich einen geeigneten Platz für das Teleskop auskundschaften – wegen der ollen Hecke gestaltet sich das immer wieder als eine anspruchsvolle, fast unlösbare Aufgabe. Letztendlich räumte ich meinen Holzstuhl beiseite und stellte "die Tonne" an dessen Stelle dort auf. Ich hoffte auf eine halbwegs gute Sicht... Und ich konnte es kaum fassen, dass ich auf einmal Vesta im Okular hatte – das sternförmige Aussehen blieb aber trotz hoher Vergrößerung. Naja, was will man von einem 500km großen Steinklumpen schon erwarten? Ich ließ meinen fotographischen Adern trotzdessen freien Lauf und tobte mich an dem Ding aus. Und meine Kamera erstaunt mich immer wieder, da ich nicht erwartet hätte, dass ich Vesta durchs Teleskop aufnehmen konnte.
Ich bin kein Astrofotograph, und von mir brauch man auch keine High-End-Aufnahmen erwarten, aber irgendwie macht mich so ein kleiner, verwaschener Lichtpunkt doch noch irgendwie glücklich.
Jetzt kommts!
Ich hatte mein Werk vollbracht und wollte schon abbauen, bis mir der helle Lichtfleck wieder in den Sinn kam, der mich die letzten Minuten schon begleitet hatte. Ich hob den Kopf und sah Jupiter, und die Erkenntnis, dass mein Dobson so günstig stand, dass ich den Planeten auch gleich mal besuchen könnte, ließ mich umschwenken. Das Kapitel „Vesta“ hatte ich für diese Nacht erstmal abgeschlossen, und ich wollte jetzt mal was Vertrautes sehen. Jupiter war schnell gefunden, und im 32er Okular sah ich nur 3 der 4 Galileischen Monde. Der andere schien sich grad hinter Jupiter zu befinden.
Hinter...?
Ich vergrößerte auf 138fach mit dem 9er Okular und ... was soll ich sagen? Mich hats schlichtweg umgehauen! Details der Jupiteroberfläche – ich hatte schon geglaubt, es gäbe sie nicht mehr! Ich studierte grade das dunkle, auffällige Wolkenband, als ich auf einmal einen schwarzen Punkt knapp über jenem Band sah. Mir stieg das Blut in den Kopf und mein Herz begann zu rasen. Das wird doch wohl nicht ... ?! Ich hatte auf einmal Aufnahmen vor dem geistigen Auge, die mir den Schatten eines Jupitermondes auf der Oberfläche des Gasriesen zeigten. Unwillkürlich dachte ich nun an den Jupitermond Io, obwohl ich nicht mal genau wusste, ob es ein solcher Transit war oder ich mir das ganze nur einbildete.
Frühlingsgefühle und wacklige Knie
Mit 250fach machte ich mich nun an den Planeten; ich wollte Gewissheit. Trotz immer schlimmer werdenden Waberns konnte ich wieder den schwarzen Punkt ausmachen, an der gleichen Stelle. „Wow“, dachte ich nur. Zurück zu 138fach gab mir endgültige Sicherheit. Der Punkt war durchgängig sichtbar, und es muss sich eindeutig um einen Transit (= Durchgang) eines Mondes vor der Oberfläche Jupiters handeln. Es war einer jener magischen Momente, wo es einem den Atem verschlägt, wo man wacklige Knie bekommt, Schweißausbrüche (auch Nachts bei 18°C), und man könnte die ganze Welt umarmen. Ich kann mich auch nicht erinnern, jemals ein Objekt so lange am Stück beobachtet zu haben. Ich entdeckte ganz neue Seiten an Jupiter!
Und dann ist da ja noch meine „fotographische Ader“...
Auch Jupi wollte ich nicht ohne Weiteres verlassen. Ich dachte aber mit flauem Gefühl im Magen an meine Jupiterbilder zurück, die so grässlich aussehen ... Doch mit einem „So schwer ist das doch nicht!“ im Kopf nahm ich mir die Kamera und tobte mich erneut aus. Und mit was für einem unsäglichem Erfolg!!!
Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich das Ergebnis auf dem Display der Sony sah. Wolkendetails auf Jupiter, halleluja, heut Nacht geht's richtig rund hier! Objektiv betrachtet ist die Aufnahme natürlich grottenschlecht. Ist aber auch egal.

Hinter der Hecke muss die Freiheit wohl grenzenlos sein...
Jupiter wanderte schnurstracks auf die blöde Hecke zu, die mir auch sonst die Sicht auf viele tolle Objekte nimmt. Sollte ich abbauen? Nein. Ich hatte bereits Blut geleckt und zog den Dobson ein Stück zu mir ran, sodass ich nun ein paar Minuten mehr Zeit hatte. Außerdem hat sich mein kleines Rückenschmerzenproblem (das kommt vom vielen Krumstehen hinterm Okular) nun erübrigt – ich konnte mich auf den langen Granitsims setzen, auf den ich vor ein paar Wochen mit dem Bein draufgeknallt bin, und der es ein paar Centimeter hat anschwellen lassen. Ich nutzte meine letzten Minuten und wollte noch ein kleines Übersichtsfoto machen, was aber gründlich misslang.
Mit einem glücklichen Grinsen baute ich alles wieder ab und begab mich um 02:10 Uhr hinein.
Und ich habe es gewusst!
Zum Schluss musste ich noch die Frage klären, welcher der 4 Galileischen Monde mich nun so in Entzückung brachte. Mir schwebte ja Io vor, und ich hatte mit meiner Vermutung sogar Recht! Kurz bei dem Planetariumsprogramm „Stellarium“ nachgeschaut zeigte mir das Mondscheibchen am Jupiterrand. Ich war stolz wie Oskar und auch froh, dass ich mir den Schatten nicht eingebildet hatte. Die letzten Zweifel an meinem Teleskop, die ich vor Kurzem noch hatte, waren wie weggeblasen.
Erkenntnis der Nacht
Seit über einer Stunde schreibe ich nun an diesem Beobachtungsbericht, und es macht Spaß, die Erinnerungen noch einmal hochkommen zu lassen. Ich hoffe, ich habe kein Detail ausgelassen. Vor dem Schlafengehen ziehe ich nun aus meiner Beobachtung von heute die Erkenntnis: „Es gibt nichts über die Momente, an denen einem der Atem wegbleibt!“
In diesem Sinne: Gute Nacht!
 



Ein Beobachtungsbericht von AKE
Schönebeck, 21.05.2007

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