26./27.08.2016 – Remember that night…

So ganz glauben konnte ich es selber nicht, als ich am Freitagabend zum dritten Mal in den Harz aufbrach. Die Reise war nun wirklich zur Routine geworden. Die B6n lag allabendlich vor meiner Motorhaube, die blendende Sonne stand direkt in Fahrtrichtung tief am Horizont, Pink Floyd röhrten lautstark aus den Boxen, es war knallheiß (34°C unterwegs und Klimaanlage am Rödeln) und meine Vorfreude riesig. Ein paar zirrenartige Wolken waren im Norden sichtbar, an denen sich große, bunte Nebensonnen kristallisierten. Zufrieden stellte ich fest, dass im Laufe dieses Tages die eine lange Baustelle abgeräumt wurde, sodass ich ohne Unterbrechung über die Straße fliegen konnte, immer lang hin. Dazu gab es einen wunderschönen, roten Sonnenuntergang, pittoresk und idyllisch hinter der sanft gewellten Bergkulisse. Im Rückspiegel kam der Erdschatten. Eigentlich wollte ich diesmal gar nicht fotografieren während der Fahrt, aber die Szenerie hat mich so massiv provoziert, dass es gar nicht anders ging. Ach, wie mag ich doch den Harz! All die Plätze, all die Abfahrten und markanten Blickpunkte, alles wurde immer vertrauter. Zum dritten Mal fuhr ich auch am Oderteich vorbei und war überrascht, wie wenig Wasser im Becken war.

Gegen halb 9 erreichte ich den Parkplatz, war aber diesmal nicht allein: Ein einsames Auto mit männlichen Insassen stand mitten auf der Fläche, recht nah an meinem Aufbaupunkt. Die Herren unterhielten sich und hatten lässig ihre Beine aus den Türen gestreckt. Wollen die noch lange da sitzen und mit ihren unangenehm tief-männlichen Stimmen vor sich hinklönen? Muss das sein? Können die nicht einfach abhauen? Ich musste zum Glück nicht lange warten; eine Viertelstunde später verkrümelten sich die Typen und ich übernahm wieder die Alleinherrschaft über den Parkplatz.


Auch das Treiben während der Dämmerung wurde zur Routine. Das Warten war mir lästig, aber ich genoss die Kühle (22°C) im Vergleich zu der üblen Demse in meiner Wohnung. Ein frischer, würziger Duft lag in der Luft. Da es noch hell genug war, um die Gegend gut zu erkennen, drehte ich eine größere Runde über den Parkplatz. Ich wollte die Umgebung besser kennenlernen, damit es nicht wieder vorkommt, dass ich mich wegen eines vermeintlichen Schattens ständig aus der Ruhe bringen lasse. Oh, man hat den Müllcontainer geleert, wie aufmerksam. Wieder hörte man leises Geprassel aus dem Wäldchen hinter mir – kleine und große Kienäppel purzelten von den Bäumen und landeten im hohen Gras; außerdem waren viele Brummer unterwegs und brummten herum. Auch ein Fledermäuschen sauste über meinem Kopf hinweg. Gegen 21:20 Uhr fuhr dann ein PKW auf den Parkplatz und steuerte zielgerichtet zum Müllcontainer. Der Fahrer entsorgte einen ziemlich großen, dubiosen blauen Müllsack und sauste danach schnell wieder davon, und ich hoffte, dass ich da kein Zeuge einer verbotenen Szene geworden bin. Irgendwelche Zombies oder Leichenteile im Müllcontainer eines Großparkplatzes am Arsch der Welt kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.

Ich hatte mir tagsüber viele Gedanken zum Thema „Angst“ gemacht und wusste nur zu genau, dass sich die Souveränität und Furchtlosigkeit nicht erzwingen lassen. Umso überraschter war ich, dass ich diesmal völlig nüchtern und abgeklärt blieb; ja, regelrecht emotionslos. Geräusche, die mich am Vortag noch aufscheuchten, waren nun vollkommen egal. Lediglich ein sehr fernes, leises Röhren ließ mich kurzzeitig aufhorchen, weil ich so etwas noch nie gehört hatte. Ich vermute, das war tatsächlich ein Hirsch – die Gegend am Sonnenberg ist da wohl keine unbekannte Location. Leider gab der Kollege schnell wieder Ruhe; ein bisschen länger zugehört hätte ich ja schon ganz gern. Das Verkehrsaufkommen auf der Landstraße war bedeutend geringer als die Abende zuvor. Ich stand träge ans Auto gelehnt, schaute in der Gegend rum und wartete auf die Dunkelheit.

Naja, wie das immer so ist, irgendwann war es richtig dunkel geworden und die schöne flockige Milchstraße spannte sich bis in den Horizont hinunter. Die Bedingungen waren die gleichen wie in den Nächten zuvor – trocken, transparent, finster, mittelprächtiges Seeing. Und windstill. Objekttechnisch gab es Resteverwertung, und ich begann mit Parmesan… ähh Parsamian 21, den ich zwei Tage zuvor nicht gesehen hatte. Und ich frage mich ernsthaft, was das Problem war. Der Nebel fiel mir sofort auf als ein winziges, längliches Büschel, an dessen Südspitze er am hellsten war. Nach Norden fächerte er sich etwas auf, blieb aber dennoch sehr schmal und klein. Total einfach! Vermutlich war der Spiegel jetzt besser ausgekühlt als „damals“, denn das Bild bei 200x sah schon fast einwandfrei aus. Ich konnte recht bequem meine alte Skizze hernehmen und vervollständigen.

Ein Haufen, den ich schon seit zig Neumondphasen mit mir rumschleppte, war Streicher 67. Och, naja, er wirkte etwas verloren in der sternreichen Umgebung. Für einen eindrucksvollen Haufencharakter war er einfach zu lose. Fünf hellere Sterne bildeten ein krummes, spitzes Dreieck; wie diese Zipfelmützen, die die Weihnachtswichtel immer tragen. Das Dreieck war umgeben von weiteren schwächeren Sternen, die sich aber nirgends konzentrierten. Der Übergang in den Hintergrund war fließend.


Ebenfalls noch mit einem Pfeil bewehrt, ganz in der Nähe, war Alessi 11, der mich schon mehr überraschte. Erstaunlich groß und auffällig. Markant fand ich das Muster einer Konvexlinse, die die Sterne bildeten, die im Inneren zudem leer blieb. Anschließend probierte ich es nochmal mit UGC 11671, die auf demselben Kartenblatt stand – vergeblich. Da war nix zu holen.


Der Reflexionsnebel GN 18.46.6 war auf meinem To-do-Zettelchen noch offen. Die Gegend war rasch gefunden und auch das Objekt selber präsentierte sich, völlig problemlos, als ein diffuser, schwacher Hof rings um einen Stern. Besonders auffällig deswegen, weil der hellere Stern im Norden im Vergleich dazu nackig blieb. Die Grenzen waren schwer auszumachen, aber im Westen befand sich deutlich mehr Nebel als östlich des Sterns; außerdem bildete sich eine Art stärkerer zentraler Streifen heraus.

Ich reiste weiter in den Süden hinunter und stocherte in den niederen Regionen des Adlers herum. Beim Starhop stach mir der Carbonstern V Aquilae ins Auge – hui, der ist ja rot! Ein richtig schöner, heller, tiefroter Stern. Er half mir bei der Suche nach NGC 6751. Der PN zeigte sich als eine echt winzige, runde, klar abgegrenzte Scheibe. Hohe Vergrößerung brachte den Ringcharakter hervor, der aber kein Vergleich war zu z.B. 6894 in der Vornacht. Das dunkle Innere war auch deswegen nicht so richtig dunkel, weil da auch noch ein Zentralsternchen den Platz für sich beanspruchte und bei indirektem Sehen nur zu gern mit dem helleren Ring verschmolz.

Neben dem kurzzeitig nochmal aufkommenden Geröhre hörte ich Bassmusik aus der Ferne. Kenne mich zu wenig aus um zu sagen, wo genau das war – Richtung Osten jedenfalls. Sehr weit weg. Je weniger Verkehr unterwegs war, desto besser fanden die Schallwellen ihren Weg zu mir, und ich erkannte bald, dass da eine Party zugange war. Irgendwie sorgte das für zusätzliche Beruhigung, denn das lenkte mich von Waldgeräuschen ab und transportierte einen Hauch von Zivilisation in mein stilles Eck. Um mich selber ruhig zu halten und mein Revier vor bestialischen Igelchen und Mäusen zu verteidigen, war ich mit meiner eigenen Akustik auch nicht gerade sparsam. Laute Schritte auf dem Boden, betont selbstbewusste Okularwechsel, immer mal wieder ein versehentlicher Stoß gegen die laute, blecherne Trittleiter… Ups, ich Tollpatsch.


Und dann blickte ich in den Atlas und sah in der Nähe meines nächsten Zieles ein verlockendes Symbol, das mit „Pal 11“ beschriftet war. Ein Palomar-Kugelhaufen – das wäre doch mal was Schönes. Der Dobson steuerte hinunter in die tiefen Tiefen. Schnell war die Zielregion aufgestöbert – und auch Pal 11 fiel mir sofort ins Auge. Ein rundes, zartes Wölkchen östlich eines helleren Sterns, das sich als eine quasi-homogene Fläche präsentierte. Naja, nicht ganz, sie war ansatzweise grieselig wirkend, da sich Einzelsternchen aus dem Bausch stahlen. Wurde zum Zentrum, KS-untypisch, allerdings kein Deut heller. Tolle Überraschung – ma eben so ‘n Palomar!

Eigentliches Objekt der Begierde war NGC 6821, eine Galaxie, die mich allerdings nicht vom Hocker riss. Klein und kompakt – so stand sie da, mit 2 schwächen Vordergrundsternchen anbei, die den Anblick irritierten. Bar jeglicher Struktur.


Argh – Jetzt rennt da so ein dummer Penner mit ‘ner fetten Hirnbirn rum! Auf dem zweiten Parkplatz an der Kreuzung, wo die Laternen stehen, hatte ein Auto geparkt, dessen Insasse es anscheinend für unabdingbar hielt, die unmittelbare Gegend rings um sein Vehikel zu erkunden. Die Funzel an seiner Stirn war grässlich hell, und wie ein schüchterner Leuchtturm rotierte er ein paar Mal um seine Achse; mal hierhin, mal dorthin strahlend. Das Teil war so hell, dass selbst meine Beobachtungsecke gut ausgeleuchtet war. Zwischenzeitlich ging sogar mal das Rotlicht an – oho, gute Hirnbirn mit Astrofunktionalität, prima! Trotzdem war ich froh, als der Trottel wieder verschwand. Ich nutzte diese Lichtstörung dafür, meinen Kopf ins Auto zu stecken und Objektrecherche zu betreiben – Problem war nämlich, dass ich mit dem Zettel durch war. Abgesehen von 3 Objekten im Steinbock, doch an die kam ich nicht heran. Etwas unkreativ scrollte ich durch den Atlas. Zwischendurch immer wieder lautes Gestapfe und Getrampel, um potentielle Tiere gleich von vornherein zu verscheuchen. Vermutlich sind die Sohlen der – noch recht neuen – Schuhe bereits durch.


In der Detailkarte D1 (Cygnuswolke) entdeckte ich noch ein pfeilbewehrtes Ziel, den offenen Haufen IC 1311. Dank des Leuchtpunktsuchers, dessen Vorhandensein mit Gold einfach nicht aufzuwiegen ist, musste ich nun auch nicht mehr die Gegend um Sadr scheuen, die mich sonst immer hoffnungslos durcheinander gebracht hatte. In einer sehr markanten und sehr reizvollen, gebogenen Sternkette liegend, die mich an Corona Borealis erinnerte, tauchte der Cluster als schwaches Wölkchen auf. Im 14er Okular kippte ich dann beinah von der Leiter – was für ein schönes Ding! Das Wölkchen zerfiel in viele, viele feine schwache Sternchen, die man erst durch direktes Sehen als Einzelobjekte herausarbeiten konnte, denn bei indirektem Sehen verschmolzen sie alle wieder zu dem anfänglichen silbrigen Schleier. „Silberstaub“ war auch meine Notiz direkt vor Ort, die das Gesehene ganz gut trifft. Superschönes Objekt; machte bei 130x die beste Figur, da so auch das Zusammenspiel mit dem Umfeld am ästhetischsten wirkte.

Die Party in… woauchimmer… ging nun richtig zur Sache. Da der Verkehr auf der Straße über lange Strecken gänzlich zum Erliegen kam, drang die Musik fast ungehemmt zu mir und allmählich konnte ich auch verstehen, was da gespielt wurde. Nur das Beste vom Besten, die Creme de la Creme der Fetensongs, die All-Time-Favorites. Kleine Kostprobe aus der Hitliste gefällig? „Kommmmmm, wir fahrn nach Ammmmsterdammm…“, „Verdammt, ich lieb‘ dich, ich lieb‘ dich nich!“, „AAA-TEEEM-LOOOOOOS durch die Nacht…“, „Hello again! Du, isch möschde disch ‘eut noch sähn…“, „Du hast mich tausend Mal belogen, du hast mich tausend Mal verletzt…“, „Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein…“ – Und all das wurde begleitet von den lieblichen Stimmen eines sturzbesoffenen, aber anscheinend sehr glücklichen Männerchors. Für Gruselmomente war also auch diese Nacht gesorgt, aber diesmal war es nicht meine Schuld.


Im Wassermann fand ich noch Pfeile, und ich musste die schwierige Entscheidung treffen zwischen „lustiges Knäuel“ und „rund, Ring mit Kond.“. Ich wählte das lustige Knäuel – MCG-1-58-9, mit der Nachbargalaxie zu Arp 314 agglomeriert. Ja, die beiden waren echt zum Brüllen komisch. Zwei schwache, diffuse Wölkchen schälten sich aus dem Hintergrund heraus, der, so weit unten, ein klein wenig aufgehellt war. St. Andreasberg wirkt sich dann doch ein bisschen aus. Beide Galaxien ohne Details; die nördlichere wirkte allerdings geringfügig heller.

Dann widmete ich mich „rund, Ring mit Kond.“ – die Notiz bezog sich auf NGC 7428, die fast 3° nördlich vom lustigen Knäuel stand. Naja, rund war schon nicht ganz richtig, und der Rest irgendwie auch nicht. Zwar ein recht auffälliges Nebelchen, und mit einem schwachen, stellaren Kern, allerdings ließ sich der Hinweis mit irgendwelchen kondensierten Ringen nicht nachvollziehen. Und ich hatte vor Ort auch keine Ahnung, wie genau ich das eigentlich gemeint hatte. Der Blick aufs DSS-Bild verwirrt mich dahingehend noch mehr – da ist nix rund oder geringelt. Na, was solls.


Da ich nicht, wie am Vortag, dauernd damit beschäftigt war, die Umgebung nach fiesen Ungeheuern abzuscannen, kam ich gewohnt schnell voran. Der Unterschied war wirklich massiv, das muss ich echt betonen. Wovor hatte ich denn nur Angst gehabt? Ein einsames Auto fuhr vorbei. Brauchen die vielleicht jemanden für nächtliche Verkehrszählungen? Ich wär dabei! Es war schon nach 23:00 Uhr und ich fürchtete trotzdem ein bisschen die Mitternachtsstunde, wenn die Laternen an der Kreuzung ausgehen und ich komplett im Dunklen stand. Allein, verlassen, einsam in der Finsternis. Völlig banane, sowas als Hobby-Astro zu sagen. Ich hörte etwas, ich stapfte auf dem Boden rum – aber raschelndes Laub lässt sich von solchen Aktionen nicht beeindrucken, ich seh‘s ja ein. Mir taten auch langsam die Füße weh durch den Blödsinn. Die Musik von der Mega-Sause wurde immer komischer; die Jungs hatten mittlerweile die Elektro-Mucke für sich entdeckt und die bizarrsten, verzerrtesten Bässe wehten zum Sonnenberg hinauf. Diese akustische Szenerie gereichte mir zum Amüsement und ich musste mir das Lachen verkneifen.


Etwas ratlos stand ich wieder am Atlas rum und suchte nach Objekten. Es ging zu M 27. Ja, pfui, aber der war ‘ne ganz gute Aufsuchhilfe. Zweiter Point war NGC 6885, einem eher unspektakulären offenen Haufen ein paar Grad nordöstlich. Dritte Anlaufstelle und endgültiges Ziel war der PN W 1-9. W wie Weinberger. Warum auch immer ich den irgendwann mal für sehenswert erachtet hatte – der Kracher war der nicht. Wie bei PN eigentlich immer üblich, schraubte ich den Filter rein und schaute bei 130x, ob da irgendwo was zu sehen war. Nada. Etwas Nebliges fiel mir auf, wo auch 2, 3 schwache Einzelsterne heraussprangen. Ist das der PN, oder ist das nur eine schwache Sterngruppe? Das war mir zu unsicher. Kein PN für mich. Um aber noch zu erkennen, ob das denn wirklich bloß ein kleines Sterngrüppchen war, setzte ich das 9er ohne Filter ein. Ja, Bingo, ist nur eine Y-förmige Gruppe, die ohne [OIII] deutlich als solche erkennbar war. Allerdings fiel mir nun ein Stück „drüber“, in nordöstlicher Richtung, ein kleines, ziemlich schwaches Scheibchen auf. Das müsste der PN sein, Position tät stimmen. Hat da die schlichte Vergrößerung die Sichtung ermöglicht oder reagiert der nicht auf [OIII]-Einsatz?

Das Licht ging aus, als ich gerade den Kopf hob, und nun war alles finster und die Welt lag unter dem Nachtschatten begraben. Es war ruhig. Selbst die Musi ist verstummt. Ich nutzte die Gelegenheit, mich ans Auto zu lehnen und an die neue Gestalt der Umgebung zu gewöhnen. Die silbern-flockige Sommermilchstraße war ein beträchtliches Stück nach Westen gewandert und krachte am Horizont wieder in das Hotel hinein. Grenzgröße lag erneut bei 6,7-6,8 mag. Am Osthimmel kündigten sich der Perseus und Auriga an; mit ihren hellen, eindrücklichen Hauptsternen und Figuren ein markanter Fingerzeig des baldigen Winters. Eine winzige, aber reizvolle Sternschnuppe schnuppte sich an Atair vorbei. Ich wünschte mir was, aber die drückende Stille ringsum war Antwort genug. Nur eine nachtaktive Grille, genauso allein wie ich, erzählte irgendwas, aber was sie zu berichten wusste, konnte ich leider nicht verstehen. Nichtsdestotrotz hatten wir eines gemeinsam: Zwei einsame Gestalten auf dem riesigen, stockfinsteren Parkplatz unterm Sternenhimmel, die sich die Nacht um die Ohren schlagen. Ich fühlte mich pudelwohl. Trotz wenigen Schlafes am Vortag war ich munter und wach – das alles hier wirkte regelrecht elektrisierend. Was für eine tolle Szenerie.


Okay, genug rumphilosophiert, weiter geht’s. Ich vertrödelte wieder Zeit damit, Objekte im Atlas zu suchen, und stieß auf den PN Abell 78 in der östlichen Schwan-Region. Der war als relativ hell verschrien und tatsächlich auch leicht aufzustöbern, aber so ganz traf der mein Pläsier irgendwie nicht. Dadurch, dass es keine gleichförmige Fläche war, ließ sich die Gestalt nur schwer fassen. Nah beistehende Sternchen erschwerten die Situation zusätzlich. Rings um einer der Sterne legte sich eine fade, ovale Hülle, die nach innen hin zwar irgendwie dunkler wurde, aber das Sternchen überdeckte diesen Eindruck wieder. Nach Osten hin wirkte der PN geringfügig kräftiger.

Es war fast halb 1, als ich wieder auf die Uhr sah, und objekttechnisch geriet ich langsam wirklich in Bedrängnis. Anstatt wieder endlos durch die Atlaskarten zu blättern, entschied ich mich, einfach noch ein bisschen an meinem Cirrusnebel weiterzuwerkeln, der aber noch lange nicht fertig ist. Der letzte Blick ging anschließend auf M 31, die mit bloßem Auge ein riesiger langer Flatschen war und mich im Dobson tatsächlich mal ernsthaft beeindruckte. Ja Wahnsinn, so gut und kontrastreich habe ich die Staubbänder noch nie gesehen.


Mit Blick auf die Uhr beschloss ich, abzubauen. Ein paar Minuten nutzbare Dunkelheit wären schon noch dringewesen, aber diesmal wollte ich den Mondaufgang vollständig sehen und daher rechtzeitig um Viertel 2 in Torfhaus sein. Und, wie gesagt, ich wusste schlichtweg nicht mehr, was ich mir jetzt noch angucken sollte, ohne mit der großen Messier-Hitparade loszulegen. Parallel zum Einpacken schoss ich wieder dieselben schlechten Bilder vom Sternhimmel wie schon vor 24h und hegte auch keinerlei Hoffnungen, dass sie diesmal besser sein würden. Trotzdem, irgendwie gehörten sie schon dazu, und die Tatsache, dass das Display der Sony ordentlich hell leuchtete, war mir nicht unwillkommen. Der ganze Ramsch landete im Berlingo, und nachdem der Kontrollrundgang mit Taschenlampe keine verlorenen Gegenstände zutage gebracht hatte, verschwand ich kurz vor 01:00 Uhr vom Sonnenberg.

In Torfhaus, dieser fleischgewordenen Geisterstadt, waren wieder die Bürgersteige hochgeklappt, aber der Beleuchtung nach zu urteilen hätte man auch mitten in Downtown Manhattan oder am Times Square stehen können. Diese Funzeln sind auf der Übelkeitsskala ganz oben anzusiedeln – flutlichtartig strahlten sie in den Himmel und erzeugten einen mörderisch hellen Kegel, wenn man sich mal in ein dunkles Eck zurückzieht und das ganze Ausmaß der Katastrophe in Augenschein nimmt. Und das in ‘nem Nationalpark! Skandal! Da stand ich nun also wieder, an meinem Aussichtsplätzchen, und schaute zum schwarzen Brockenmassiv. In der Bavariaalm war noch Betrieb; anscheinend räumten die Bediensteten den letzten Dreck auf und wollten den Schuppen abschließen. Irgendwann war da Ruhe eingekehrt.

Ich blickte erwartungsvoll zum Osthimmel, der dunstig-eingetrübt wirkte. Die winzigen Lichtlein der Ortschaften am Horizont waren, im Gegensatz zu gestern, nicht zu sehen. Bald bemerkte ich einen purpur-rötlichen Schimmer, den ich nicht zuordnen konnte. Was ist das für eine Lampe? Wieso ist die mir bis eben noch nicht aufgefallen? – Ach halt, das ist ja der Mond. Quietschrot verfärbt und leicht gestaucht kroch er über den Horizont; erst ein schummriges Hörnchen, und dann der Rest, der die Gestalt einer vollwertigen Sichel annahm. Ein schönes Bild. Und ein wenig skurril, denn so gefärbt habe ich wohl auch noch keinen Mond gesehen, außer bei ‘ner Finsternis natürlich. Au, ja, das ist ein treffender Vergleich.

Wieder ließ ich die Szenerie ein Weilchen auf mich wirken, genoss die Einsamkeit und sinnierte. Mir gingen die Zeilen von David Gilmours schönem „On an Island“ durch den Kopf:

Remember that night

White steps in the moonlight

They walked here, too

Through empty playground, this ghosts town…

Gähnen. Allmählich wirkt sich die Müdigkeit aus. Grund genug, nach der Foto-Session den geordneten Rückzug anzutreten und zum Wagen zu wandern. Um die Heimfahrt schadlos zu überstehen, musste wieder die beste Musik im CD-Schlund landen. Und während ich da die Berge runterbretterte, mit größtem Respekt vor den Geschwindigkeitstäfelchen, und nebenbei Pink Floyd die stimmungsvollste akustische Begleitung darstellte, die ich mir je vorstellen konnte, merkte ich, wie selig man nach so einer erfolgreichen Nacht doch sein kann. Alles hat gepasst – so solls sein.

Allerdings – die Harzfahrten, so besonders sie immer sind, waren eine Sünde für den Tank und meinen Schlafrhythmus. Reicht erstmal. Aber ich komme wieder – auf jeden Fall! Ist ja jetzt schließlich MEIN Platz.

 

 

Une Berichte de AKE

Bernburg, 27.08.2016

Share by: